Alle geistigen und charakterlichen Wandlungen des einzelnen Menschen im Laufe seines Lebens aber auch alle kleineren und größeren Wandlungen ganzer Kulturen im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden sind je und je aus einer einzigen Ursache hervorgegangen. Und alle in Zukunft nur möglichen, denkbaren und nicht denkbaren, leichten und tiefgreifenden Veränderungen und Wandlungen der Menschen und ihrer Charaktere, ihrer Willensbestrebungen und Anschauungen, ihrer Planungen und Taten samt allen daraus in der Welt hervorgehenden Veränderungen werden immer nur ein und dieselbe Ursache haben, die Ursache, ohne welche es keine Wandlung gibt.

 

Diese eine und einzige Ursache aller Wandlungen heißt: Meditation. Die Meditation ist der Weg und der Schlüssel zur Helligkeit und Geborgenheit wie auch zu Dunkelheit und zum Entsetzen, sie führt zu Ordnung oder Chaos, zu allen Himmeln oder zu allen Höllen, sie ist der Schlüssel zur Welt und zur Weltüberwindung.

Jeder Mensch meditiert fast in jedem Augenblick und erfährt darum auch die der Richtung und Intensität seiner Meditation entsprechende Auswirkungen an sich selbst - gleichviel, ob er die Auswirkungen der Meditation kennt oder nicht kennt, ob er diese Wirkungen will oder gerade vermeiden möchte. Meditieren ist, besonders wenn es sich um die einfachsten Grade handelt, die natürlichste Sache für jedes Lebewesen. Meditieren heißt "bedenken". - Und welcher Mensch bedächte nicht diese oder jene Dinge mit größerer oder geringerer Intensität, bruchstückhaft oder zusammenhängend.

Bei der Meditation werden unterschieden die erwägende, die sinnende und die schauende Meditation. Die erwägende Meditation ist die einfachste Meditationsweise, die jeder Mensch pflegt. Es ist das Abwägen und Vergleichen zwischen mehreren Möglichkeiten im Interesse der Ziele des Menschen. Die sinnende Meditation wird geübt nach Abschluss der Erwägung. In der sinnenden Meditation bedenkt der Mensch den betreffenden Gegenstand immer wieder in jener positiven oder negativen Beurteilung, die aus der vorherigen Meditation hervorgegangen ist. Die schauende Meditation erwächst im Laufe der Zeit organisch aus der bewusst und intensiv gepflegten sinnenden Meditation. Sie wird auch Kontemplation genannt, weil der Mensch über der Betrachtung sich selbst vergisst. Voraussetzung für diese drei Meditationsweisen ist Konzentration, wenn man sie bewusst pflegen will.

Der Buddha, der größte Kenner des Grundwesens menschlicher Art, zeigte folgenden gesetzmäßigen Zusammenhang auf:

1. Was du heute an Gutem oder Üblem immer wieder bedenkst (Meditation) -

2. danach werden morgen deine charakterlichen Eigenschaften, die Triebkräfte deines Wesens, deines Herzens sein.

3. Wie die Triebkräfte deines Herzens sind im Guten und im Schlechten, so musst du handeln - gut oder schlecht. Magst du auch in einzelnen Fällen anders handeln können als die Kräfte dich treiben: auf Dauer kannst du ihnen nicht widerstehen, sondern bist der Ausführer ihres Willens.

4. Deine Handlungen - im Guten und im Bösen von den Triebkräften deines Herzens diktiert - bestimmen dein Verhältnis zu deiner Umwelt und Mitwelt zwischen Frieden und Streit, zwischen Beliebtheit und Unbeliebtheit, zwischen Anerkennung und Ablehnung und damit dein Glück und dein Leid.

So ist also ein durchgängiger Zusammenhang: was du im Geist für gut oder schlecht hältst, was du im Geist öfter bedenkst und sinnst (1), danach werden die Triebkräfte deines Herzens (2), und danach handelst (3) und erlebst du (4). Daran zeigt sich die große Bedeutung des Meditierens für das Schicksal.

Wenn der Mensch z.B. häufig an begehrte Erlebnisse denkt (1), so wird er im Laufe der Zeit immer wieder die Wunscherfüllung hoch bewerten (1) und damit die Herzensdränge auf Wunscherfüllung verstärken (2) und wird bei Verhinderungen der Wunscherfüllung immer stärker verärgert werden (2) und darum gegen die Verhinderer vorgehen (3), wodurch er natürlich in seiner Umgebung immer weniger Gegenliebe und Entgegenkommen erfährt (4), so dass die unerfüllten Wünsche immer drängender werden (2) und damit immer weniger Erfüllungsmöglichkeit gegeben ist und immer mehr Streit entsteht. (3 u. 4)

Weil aus dem eben beschriebenen Bedenken das beschriebene Leiden hervorgeht, das die Menschen verabscheuen und gerade verhindern möchten, darum wird solche Anschauung, solches Bedenken und Meditieren "falsch" genannt, und die daraus hervorgehende innere Art und die daraus hervorgehende Aktivität des Menschen werden "schlecht" genannt.

Wenn der Mensch aber stattdessen immer wieder denkt, dass andere Menschen ganz ebenso wie er selber Wohl ersehnen, von allem Unangenehmen fortstreben wie er selber und dass es im Grunde viel mehr Wohl bringt, wenn man auch an die anderen denkt und für sie sorgt, selbst wenn die eigenen vordergründigen Wünsche, deren Erfüllung doch nur kurz befriedigt, dabei zu kurz kommen, dann wird er im Laufe der Zeit die eigene Wunscherfüllung geringer bewerten, was die Herzendränge auf Wunscherfüllung schwächt. Bei Verhinderungen der Wunscherfüllung wird er sich weniger oder kaum ärgern, sondern Verständnis für die Verhinderer aufbringen und überlegen, wie er ihre Wünsche mitberücksichtigen könnte, und wird entsprechend vorgehen. Dadurch erfährt er früher oder später auch in seiner Umgebung Gegenliebe und Entgegenkommen; so wird das Klima des herzlichen Miteinander wichtiger als vordergründige Wunscherfüllung und Frieden und Eintracht herrschen. So geht aus dem Bedenken und Meditieren darüber, dass das Leben durch Wohlwollen und Gewähren und durch die Begrenzung der Sucht nach Genuss schöner, harmonischer, heller wird, in der Existenz allmählich auch die Erfahrung hervor, dass man sich dadurch wohler fühlt. Darum wird diese Anschauung, dieses Bedenken und Meditieren "richtig" genannt und werden die daraus hervorgehende innerer Art und die daraus hervorgehenden Aktivität des Menschen als "gut" bezeichnet, weil daraus Wohl hervorgeht, das die Menschen ersehnen und anstreben.

Der Duden (Wörterbuch der deutschen Sprache) sagt nur, dass Meditieren soviel bedeutet wie "tief nachsinnen, nachdenken, Betrachtungen anstellen", aber er sagt nichts von dem heimlich-unheimlichen Einfluss der Meditation, der die ganze Person entsprechend verändert und damit sein Erleben:

Die mit Überzeugung übernommene Idee bewirkt veränderte Absichten und Zielsetzungen,

bewirkt verändertes vorstellendes Denken,

verändert Gewöhnung im Reden und Handeln,

bewirkt Löschung der alten Absichten,

bewirkt verändertes Charaktergefüge,

bewirkt verändertes Lebensschicksal,

bewirkt veränderte Ich-Erscheinung,

bewirkt veränderte Welt-Erscheinung.

Auch wir Heutigen, die wir den Erwachten nicht mehr bei uns haben, finden in den Lehrreden mehr unauffällig - zum Teil aber auch deutlich - eine ganze Menge Meditationsanleitungen.


Das Herz projiziert Ich und Umwelt

Unser gesamtes Erleben vom morgendlichen Erwachen bis zum abendlichen Einschlafen und so durchs ganze Leben hindurch ist nicht, wie wir den Eindruck haben, ein Ablesen mit unseren Sinnesorganen von einer wirklichen Umwelt, sondern ist eine Projektion. Wo wir glauben, weil da draußen die Welt ist, darum nehme ich sie wahr, da ist in Wirklichkeit zu sagen: Weil hier ununterbrochen Erleben projiziert wird, haben wir den Eindruck, in einer Welt zu sein.

Die Bedingung für dieses Welterlebnis liegt nicht in einer real vorhandenen Welt, sondern liegt im Gemüt oder Charakter oder Seele des Erlebenden. Seine eigenen inneren Qualitäten entwerfen für ihn die Erscheinungen und auch ihre Annährungs- und Entzugsweise, durch welche er Wohl und Wehe erlebt.

Dieser Erzeuger des Welterlebnisses, Seele, Gemüt, Charakter, lebt nicht von der Nahrung des Körpers, braucht überhaupt keine Nahrung, ist nichts anderes als eine große Motivhäufung von den Qualitäten von größter Nächstenliebe bis stärkstem Egoismus, von größter sinnlicher Begier und entsprechender Rücksichtslosigkeit. Dieses, das in den Religionen oft "Seele" genannt wird, unterliegt gar nicht der Zeit, ist bei der Geburt des Körpers nicht jung, bei Krankheit des Körpers nicht krank und altert nicht mit dem Körper. Wenn der Körper zerbricht, ist es nach wie vor da. Und da es der Erzeuger des Erlebens ist, so bleibt das Erleben auch nach dem Verlassen des Körpers bestehen. So wie auch jetzt schon der erlebte Körper mit zu der Projektion der Seele gehört, so wird auch dann wieder ein Körper erlebt, der von demselben Gemüt projiziert ist. Insofern ist das Lebensproblem unendlich, und darum müssten wir unendlich für Reinigung und Reinhaltung des Herzens bemüht sein, wenn der Erwachte nicht den Ausgang ins Freie aufgezeigt hätte. Solange Herz und Gemüt nicht erlöst sind, so lange gilt das Samsara-Gesetz: Wie dein Gemüt wird, so wird, so wird dein Erleben. Hast du ein Gemüt von gewährender Gesinnung, von Geduld und Friedfertigkeit, dann erlebst du auch eine solche Daseinsform, die so herrlich ist, dass du sie nicht mehr als Erde bezeichnest, sonder als Himmel.

Für Menschen mit dieser Sicht geht es also um die Gemütsgestaltung. Selbst wenn wir als Vertrauend-zum Buddha-Geborene in diesem Leben etwas von der Lehre des Buddha lesen oder hören, sind wir gut beraten, uns um die Läuterung unseres Herzens zu bemühen. Mein Herz nach der ursprünglichen Heilslehre umzubilden oder aber blind den Impulsen und Wünschen meines Herzens zu folgen, das ist ein Unterschied.

Im Majjhima Nikaya 7 nennt der Erwachte sechzehn Herzenstrübungen oder -befleckungen. Dabei geht es nicht um eine Systematik der Flecken - das Herz ist vielfältig - sondern um die Befreiung von ihnen durch Meditation. Diese Trübungen sind auch nicht auf ihre Schädlichkeit oder Nützlichkeit im Bereich der Begegnung zu untersuchen, sondern sie sind lediglich als "Trübung des Herzens" zu erkennen. Je klarer ich erkenne, wie sie mein Herz verdunkeln und daran hindern, frei und hell, weiten, unbeschränkten Gemütes zu sein und klar zu sehen, um so eher kann ich mich von ihnen lösen. Darum ist es eine besonders hilfreiche Meditation, immer wieder die folgenden sechzehn Herzenstrübungen zu betrachten:

  1. Verderbte Habsucht - Wenn die Gier so stark wird, dass ich sie rücksichtslos, ohne Rücksicht auf andere Wesen nicht nur aus Nächstenblindheit, sondern auch da erfüllen will, wo ich mir der Verletzung des Besitzstandes des Mitwesens bewusst bin - das ist verderbte Habsucht.
  2. Nächstenblindheit bis Übelwollen - Wenn man Rücksichtslos zur Erfüllung seiner Wünsche vorgeht und bereit ist, anderen Wesen anzutun, was man selbst nicht erleiden möchte. Diese Nächstenblindheit reicht von der feinsten Nichtberücksichtigung bis zum aktiven Übelwollen. Der hochsinnige Mensch kann Übelwollen nicht im Herzen hegen, wenn seine Wünsche und Absichten durchkreuzt werden. Er ist traurig und enttäuscht, aber er wendet sich nicht innerlich gegen den Nächsten. So lieb wie ich mich habe, so lieb sei mir der Nächste, denn er ist ich. So löst sich die Herzentrübung "Übelwollen" auf.
  3. Zorn - Zorn ist eine seelische Haltung, eine Gemütslage, die der Erwachte mit einer prallgefüllten Eiterblase vergleicht. Sticht man hinein, dann zischt und spritzt der Eiter heraus. Ich sage ja auch, wenn ich ärgerlich bin: "Ich bin geladen!" Ein indisches Wort sagt dagegen: "Nur der Unwissende wird böse, der Weise versteht." Ich bin zwar noch kein Weiser, aber ich kann mir klarmachen: Je mehr ich weiss, je mehr ich weise die Zusammenhänge kenne, um so weniger gibt es Überraschungen, denn Überraschungen können nur dem Unwissenden begegnen.
  4. Groll, Nachtragen - Zorn ist "kochendes" Aufbrausen, Groll dagegen ist kaltes Bewahren. Der Nachtragende käut den erlittenen Schmerz wieder und macht ihn nachträglich noch größer. Groll und Nachtragen ist das Gegenteil von Brüderlichkeit. Mit einfachem Reagieren: "Wie du mir, so ich dir", mit dem Weiterrollen des Schwungrades der Gewöhnung, nur Echo zu sein auf die Herausforderung des anderen, kann nichts zum Besseren geändert werden.
  5. Stolz und
  6. Empfindlichkeit - Stolz und Empfindlichkeit treten immer zusammen auf. Stolz bedeutet, dass man sich badet in der Vorstellung von irgendeiner besonders guten Eigenschaft oder Fähigkeit oder eines materiellen Besitzes. Und das bedeutet zugleich, dass es einem genau dem Stolz entsprechend auch peinlich wird, wenn man diese Eigenschaft, Fähigkeit oder wirtschaftliche Stellung, auf welche man stolz ist, verliert oder wenn sie sich als nicht vorhanden erweist.
  7. Neid und
  8. Geiz - Neid kommt auf, wenn man andere etwas haben sieht, was man selber haben möchte: Dem anderen nicht gönnen, weil man selbst begehrt, das ist Neid. Wer im Mangel neidisch ist, der ist im Besitz leicht geizig, mag Geld und Gut nicht abgeben. Zum Neid und Geiz gehören Eifersucht, gehören äußere Gegenstände und sogar Bezirke des Geistigen. Der Erwachte sagt: "Es gibt fünf Objekte des Geizes: Geiz um die Wohnstätte, Geiz um den Stand, Geiz um Besitz, Geiz um Ansehen, Geiz um die Lehre." Neid und Geiz können allmählich überwunden werden durch aufrichtige herzliche Liebe zum Nächsten.
  9. Heimlichkeit und
  10. Heuchelei - Mit Heimlichkeit ist nicht das Zudecken von Peinlichem mit dem Mantel der Nächstenliebe zur Schonung des anderen gemeint, sondern Verheimlichen, um im eigenen Interesse etwas Ungutes zu verbergen. Heimlichkeit wird untrennbar mit ihrer Zwillingsschwester, der Heuchelei, verbunden. Beides lässt sich aber klar voneinander unterscheiden: Der Heimliche verbirgt, was da ist (z.B. seine üblen Absichten, sein übles Tun), der Heuchler macht etwas vor, was nicht da ist (gute persönliche Eigenschaften, Gefühle). Doch bedarf die Heuchelei der Abgrenzung gegenüber manchen Verhaltensweisen der Höflichkeit und des Anstandes.
  11. Starrsinn - "Ich habe einmal ´nein` gesagt, und dabei bleibt es" - so verschließt sich der Starrsinnige den Anliegen und Nöten anderer und auch der rieselnden Veränderung in ihm selber oft gegen die eigene Vernunft. Wie wird der Starrsinn überwunden? Durch innere Elastizität, die immer neu fragt: "Warum eigentlich?" oder "Warum eigentlich nicht?", durch Einlenken. "Sich leicht abweisen lassen", wie es in den Lehrreden heißt, vor allem auch durch Zugeben der eigenen Fehler.
  12. Rechthaberei - Rechthaberei heisst, den anderen mit Argumenten übertreffen wollen; ein Wort gibt das andere. Dem Rechthabenden geht es darum, in der Debatte den Sieg davonzutragen. Das Gegenteil ist, den anderen aufmerksam zu Ende anhören und dann zu verstehen suchen, was er wirklich meint, offen, einsichtig, freundlich, herzlich, milde und großherzig reden und antworten.
  13. Ich - bin - Dünken - Als die feinste Verstrickung wird es bezeichnet, wenn ich denke: "Ich bin", "So bin ich", "ich war", "ich werde sein", "das gehört mir" usw. Der Geist ist nichts anderes als die Ansammlung und Registratur aller seit der Geburt in den jeweiligen Lebenssituationen je und je gesammelten Eindrücke.
  14. Überheblichkeit - Der Überhebliche Mensch braucht die anderen Menschen vorwiegend als Mittel zum Zweck, sich innerlich und im Umgang über sie zu erheben, als Objekte, um seinen Stolz zu ernähren; er will sie auch gar nicht anders sehen. Wenn ich etwas von dieser Trübung bei mir feststelle, kann ich mir sagen: Ich merke doch mein eigenes Gerissenwerden durch die Triebe. Wie kann ich da überheblich auf andere herabsehen. Das Gegenteil von Überheblichkeit ist Bescheidenheit.
  15. Rausch - Den gegenwärtigen triebhaften Zustand bejahen, sich auf den Wogen der Tendenzen wohlfühlen, das den Tendenzen Wohltuende unbewusst für ewig halten, nicht an die Zukunft denken - Wellenreiten auf den Wogen der Tendenzen - das ist Rausch. Der Erwachte nennt drei Arten von Rausch: Jugendrausch, Gesundheitsrausch, Lebensrausch.
  16. Lässigkeit, Leichtsinn - Völlig im Augenblick aufgehen, das ist Leichtsinn, Lässigkeit, keine Ernsthaftigkeit, jeder Ablenkung folgen. Wie ein Blatt im Winde bald hierhin, bald dorthin geweht wird, ohne Plan, ohne Ziel, so ist der Lässige. Er kann keinem Ziel treu bleiben, kann nicht dem Weg der Lehre beharrlich folgen, kann auch nicht mit Ausdauer gute Sitten anstreben.

Mein Gemüt - unser aller Gemüt - ist getrübt durch diese Herzenstrübungen. Je mehr ich sie richtig und gründlich in der Meditation als Trübung des Herzens zu erkennen versuche und dann mein Gemüt zu erkennen versuche, um so mehr werde ich sie bei mir entdecken. Die Folge einer solchen Meditation ist, dass ich erheblich bescheidener werde, nachsichtiger auch gegenüber anderen. Ich merke, dass es mir genau so wie dem anderen geht. Sehe ich bei einem anderen Menschen eine üble, das Gemüt trübende Eigenschaft, so weiss ich: "Das habe ich ja auch an mir." Diese größere Bescheidenheit, die mein Gemüt gewinnt, wenn ich um diese meine Trübungen weiss, bewirkt eine große Entspannung in der Beurteilung anderer. Ich achte mehr auf mich selber. Erkenne ich die üblen Antriebe bei mir, sehe ich, wie sie das Gemüt trüben und daraus Blick und Weltsicht, Wirken und Erleben, Saat und Ernte verderben, dann werden sie gemindert. Ich merke, dass ich immer wacher werde für die Antriebe meines Handelns und die Beschaffenheit meines Herzens. Wenn ich mehr und mehr auf die inneren Antriebe und auf die Beschaffenheit meines Herzens achte, dann kann ich gar nicht mehr in dem Maße wie zuvor reagieren, immer mehr wird mir mein inneres Sein das wichtigste Meditationsobjekt, die Klärung des Gemüts von den Befleckungen, den Trübungen das wichtigste Arbeitsfeld, und ich erhelle es immer mehr, weil ich ja weiß, dass ich mit der Reinigung meines Gemüts unmittelbar "die ganze Welt" - nämlich mein Erleben wandle und immer mehr aus schmerzlicher Weltabhängigkeit zum herzunmittelbaren Wohl der Einigung heranwachse. Das ist die Frucht der Meditation, die durch Kennenlernen, Mindern und Aufheben der sechzehn Herzenstrübungen das Herz sanft und hell macht.

(Zitiert nach "Meditation nach dem Buddha" von Paul Debes)