1. Kurzer Lebenslauf

 

 

Dogen wurde am zweiten Tag des ersten Monats im zweiten Shoji-Jahr (1200) geboren. Dogen ist sein Mönchsname, mit dem er auch in die Geschichte eingegangen ist. Sein Familienname war Minamoto, er gehörte also einer alten Hochadelsfamilie an. Die Frage seiner genauen genealogischen Herkunft ist schwierig. Sein Vater war wahrscheinlich Minamoto Michichika, ein direkter Nachkomme des Kaisers Murakami (947-967) und zur Zeit von Dogens Geburt ein wichtiger Regierungspolitiker am japanischen Kaiserhof, der tief verwickelt in verschiedene Intrigen und Kämpfe zwischen dem Hof und der neu etablierten Kamakura-Shogunats-Regierung war. Jedoch im Jahre 1202, auf der Höhe seines Ruhmes, starb er plötzlich, möglicherweise durch einen Meuchelmord seiner Konkurrenten. Dogens Mutter Nichiiki Tojo war eine Tochter des Fujiwara Motofusa, somit aus einem vornehmen aristokratischen Geschlecht.

Dogen war also erst zwei Jahre alt, als sein Vater starb, und er zog mit seiner Mutter in ein Landhaus in der Vorstadt von Kyoto. Dort erhielt er eine angemessene Erziehung. Bereits im Alter von vier Jahren las er chinesische Gedichte. Doch sein Leben dort war einsam und traurig. Im Alter von acht Jahren, während des Winters, traf ihn der Tod seiner Mutter. Kurz vor ihrem Tod hatte Dogens Mutter ihn gebeten, ein Mönch zu werden, für seine verstorbenen Eltern zu beten und für die Errettung aller Lebewesen zu wirken. Als der Junge während der Begräbnisfeier den Weihrauch emporsteigen sah, erkannte er zutiefst die Vergänglichkeit in der Welt aller empfindsamen Wesen. In dieser Zeit kam in ihm der Entschluss auf, den Wahren Weg zu finden - seine Eltern waren verstorben, und er war nun entschlossen, diese vergängliche Welt von Leid und Freude, Glück und Traurigkeit zu überwinden. Für den Rest seines Lebens ging es Dogen um das wahre Wesen der Wirklichkeit und um das Freiwerden aus den Fesseln von Leben und Tod - gleich einem Fisch, der aus dem Netz entkommt, wie er selbst es umschrieb.

„Mache keinen Augenblick von dem abhängig, was morgen sein mag" , würde er einmal schreiben. „Denke nur an diesen Tag und diese Stunde und deine Treue zum Weg, denn der nächste Augenblick ist ungewiss und ungewusst."  

Das Waisenkind Dogen wurde von seinem Onkel Minamoto Michitomo aufgenommen, einem berühmten Dichter, der ihm dazu verhalf, die Poesie zu entdecken. Dies sollte einen starken Einfluss auf seine späteren Werke haben. Schon mit 9 Jahren begann er mit dem Studium buddhistischer Sutras und Kommentare. Er las Vasubandhu`s "Abhidharma-Kosa". Sein Entschluß, den "Wahren Weg" zu finden, wuchs täglich, und als er 12 Jahre alt war, besuchte er seinen Onkel Ryokan, einem Einsiedlermönch, der am Fuß des Berges Hiei lebte und buddhistischen Studien und magischen Praktiken oblag. Diesen hatte seine Mutter vor ihrem Tod auch darauf hingewiesen, dass Dogen in den Mönchsstand eintreten solle, um ihm einen Platz im Leben zu sichern.

Er bat um die Erlaubnis, ein Mönch zu werden. Doch das passte wiederrum dem Onkel gar nicht, und er versuchte, Dogen umzustimmen. Doch eines Tages im Jahr 1213 stapfte Dogen alleine den Berg Hiei hinauf zum Enryaku-ji, dem gewaltigen Tendai-Kloster an der Nordflanke des Berges, etwa 900 Meter oberhalb des Biwa-Sees gelegen. Ryokan ließ sich vom unbeugsamen Ernst des Jungen überzeugen und behielt ihn nicht, sondern sandte ihn direkt ins Kloster. Dort wurde er aufgenommen und durch den Abt Jien eingeführt. Bald danach kam ein neuer Abt, der Tendai-Priester Koen, welcher Dogen am 9. April 1213 die buddhistische Mönchsweihe gab. So war er fortan der Novize. Er erhielt er die Bodhisattva-Gelübde, so wie es Tradition in der Tendai - Schule und auch im esoterischen Buddhismus Indiens war.

Dort auf dem Berg Hiei widmete sich Dogen mit ganzer Kraft dem Studium der heiligen Schriften und dem religiösen Leben.
Doch im Kloster wurde auf die Praxis der Lehren des Buddha wenig Wert gelegt. Es fanden vor allem Rituale und aufwendige Zeremonien für die prächtig gekleidete Aristokratie von Kyoto statt. Gern führte man hier Shakyamunis Wort im Mund, dass alle Lebewesen Buddha-Wesen besitzen, denn das schien ja zu sagen, dass man
sich eine beschwerliche Schulung ersparen konnte.

Er las die "Biographie der tugendhaften Mönche" in zwei Bänden und merkte, daß die Lebensweise und Haltung der Alten ganz anders war, als das gegenwärtige laxe Leben auf dem Hiei.

Im Mahaparinibbana-Sutta las er, dass der Buddha gesagt hatte: Alle empfindsamen Wesen besitzen ursprünglich die Buddha-Natur. Der Tathagata existiert in Unendlichkeit und ist ohne Veränderung. Dogen wunderte sich. Wenn alle Wesen die originale Buddha-Natur besitzen, warum mussten dann alle Buddhas und Bodhisattvas immer wieder den Geist zur Erleuchtung zu entwickeln und in asketischen Praktiken entwickeln? Dieser „Große Zweifel"  kam in Dogen auf, als er 15 Jahre alt war. Gleichzeitig wuchs in ihm der Wunsch nach einem authentischen Lehrer . Er hatte die Lehrer im Kloster befragt, die ihm aber keine befriedigende Antwort geben konnten. Er wusste bereits, dass rituelles Räuchern, Sakramente und Zeremonien und das Rezitieren der Sutras völlig verfehlt waren. In den erstarrten Hierarchien auf dem Berg Hiei war kein Platz mehr für den kühnen Geist des Strebens nach Erleuchtung.

So ging er vom Berg Hiei wieder zurück in das Tempelkloster Onjo-ji, wo sein Onkel Ryokan der Vorsteher war. „All die Meister, denen ich begegnete, wiesen mich an zu studieren, bis ich so gelehrt war wie meine Vorgänger. Ich sollte mir einen Namen machen und das Ansehen der Welt gewinnen."  

Im Onjo-ji lebte auch ein bedeutender Mönch names Koin, dem er seine Frage vorlegen konnte. Koin war ein sehr religiöser Mensch, der noch im Alter nach der Wahrheit suchte, am Lebensabend seine frühen Schriften verbrannte und der schlichten Gäubigkeit des Amida-Kultes zuneigte. Doch auch er vermochte Dogens Zweifel nicht zu lösen. Er sandte ihn aber schließlich zum Mönch Yosai zum Kennen-ji Kloster nach Kyoto.
„Ich hatte meinen Geist für die Erleuchtung durch die Vergänglichkeit geweckt und suchte danach in allen Ecken der Welt. Endlich verließ ich den Berg Hiei, um den Weg zu ergründen und ging zum Kennin-ji. Ich hatte immer noch keinen authentischen Lehrer und auch keinen guten Kompagnon mit mir."  

Im Kennin-ji lernte Dogen die Tradition der Rinzai-Schule des Zen kennen.
Danach wanderte Dogen ungefähr zwei Jahre lang durch verschiedene andere Zen-Klöster und Tempel um dann 1217 endgültig in das Tempelkloster Kennin-ji einzutreten.

Dort gab es einen neuen Vorsteher im Amt, den Mönch Myozen. Myozen (1184-1225) überlieferte, wie es heisst, „die drei Religionen der offenen Lehre, der geheimen Lehre und des Geistes, also Kenntnis der Sutren, tantrische Riten und Zen. Schon auf dem Hiei-Berg hatte sich Dogen in die heiligen Schriften vertieft und die überall beliebten esoterischen Praktiken kennen gelernt. Myozen, selbst der Zen-Meditation zugetan, nahm Dogen als Schüler an und lehrte ihn, was er über die strenge Art der Rinzai-Schule wusste. In ihm fand Dogen, wie er zeitlebens anerkannte, einen echten Meister. Dennoch blieben seine tiefsten Fragen, sein tiefstes Streben unbefriedigt. 1221 erhielt Dogen die Gebote der Oryo-Linie des Rinzai-Zen, deren 10. Patriarch er damit wurde. Zweimal las er während seines Aufenthaltes im Kennin-ji den ganzen damals vorliegenden Tripitaka.

Während dieser Zeit wurden viele Verwandte Dogens getötet oder verbannt. Ohne Zweifel unterstrich auch dies seine Überzeugung von der Vergänglichkeit des Ruhmes und Reichtums. Immer stärker drängte es ihn nach China, dem Geburtsland des Zen, wo tüchtige Meister, in der Tradition des sechsten Patriarchen stehend, den Erleuchtungsweg wiesen. Myozen empfand den gleichen Wunsch und als Dogen den Wunsch äußerte, nach China zu reisen, stimmte er nicht nur zu, sondern entschloss sich sogar, Dogen zu begleiten. Doch genau in diesem Moment wurde Myozens Lehrer, Myoyo, ernsthaft krank. Der Lehrer bat ihn, die Reise aufzuschieben. Myozen rief seine Schüler zusammen und fragte sie nach ihrer Meinung. Alle, auch Dogen, rieten ihm, die Reise abzusagen.

Myozen aber sagte: „Auch wenn ich bleiben würde, könnte ich das Leben dieses sterbenden Mannes nicht verlängern. Auch wenn ich ihm auf seinem Sterbelager trösten würde, könnte ich ihm nicht helfen, dem Kreislauf von Leben und Tod zu entkommen... mehr noch, er würde den Fehler begangen haben, mich auf der Suche nach Erleuchtung zu behindern und das hätte schlechte karmische Folgen. Wenn ich mich dagegen auf die Reise nach China begebe und den Weg der Erleuchtung erreiche, so wird dies zum Wohle vieler Menschen sein. Jedoch wertvolle Zeit zu verschwenden, einer Person wegen, ist nicht der Buddha-Weg. Daher will ich, wie vorgesehen, nach China gehen."

Dogen bewunderte Myozens Entschluß. Am 22. Februar 1223 brachen beide zusammen mit zwei weiteren Mönchen ins Reich der Mitte auf. Sie gingen von Hakata aus in See und segelten auf der "westlichen Seestraße" nach China, dem "Land der Sung". Die Reise war beschwerlich, mit zahllosen Stürmen und bewegter See. Dogen bekam heftigen Durchfall und litt sehr darunter. Schließlich erreichten sie, Anfang April, einen Hafen in Minshu in Mittelchina.
Nach ihrer Ankunft verließ Myozen sofort das Schiff und suchte einige Klöster auf, bevor er sich auf dem Berg Tendo (T'ien t'ung) niederließ.

Dogen blieb für die nächsten drei Monate noch auf dem Schiff, vielleicht um mit der neuen Umgebung langsam Fühlung aufzunehmen und seine zukünftigen Reisen vorzubereiten. Er besuchte nur nahegelegene Tempel und kehrte nachts auf das Schiff zurück.
Vielleicht lag es auch daran, dass Dogen zwar die Bodhisattva-Gelübde abgelegt hatte, aber noch nicht als Theravada-Mönch ordiniert war. Dies war zu jener Zeit notwendig zur legitimen Einreise nach China als buddhistischer Mönch.

Zuerst war er in einer verdrießlichen Lage, da sein erster Eindruck des chinesischen Zen kein guter war. Der örtliche Abt enttäuschte ihn mit seinem mangelhaften Verständnis der Sutras und der Regeln, und das Auftreten und die Auffassungen der Mönche schienen ihm allzu weltlich. Ebenso wie in Japan war die buddhistische Priesterschaft in Politik, Geschäfte und weltliche Angelegenheiten verstrickt. Verachtete der junge Dogen den japanischen Buddhismus wegen seiner Unreife, so war er in China nun entsetzt über seine Altersschwäche. Seiner Ansicht nach wurden die Lehren des Buddha entstellt, weil hier zuviel Wert auf das Koan-Studium gelegt wurde und nicht nur die heiligen Texte, sondern auch das Zazen gänzlich ins Hintertreffen geraten waren. Er verlor beinahe die Hoffnung, einen wahren Lehrer von jener kompromisslosen Art zu finden, über die er in alten chinesischen Texten gelesen hatte.
Doch während dieses dreimonatigen Aufenthaltes geschah etwas, das große Bedeutung für Dogen haben sollte. Ein alter Klosterkoch kam ans Schiff, um japanische Pilze zu kaufen.

Dogen berichtet darüber folgendes: " Eines Tages, während ich mich mit dem Kapitän unterhielt, kam ein alter Mönch von etwa 60 Jahren zum Schiff, um etwas getrocknete Pilze von den japanischen Händlern zu kaufen. Ich lud ihn ein, mit mir Tee zu trinken, und fragte ihn, woher er käme. Er sagte mir, er sei der Tenzo im Kloster des Berges A-Yu-Wang und fügte hinzu: ‚Ich stamme aus der Präfektur Suchuan Shen und verließ meine Heimat vor 40 Jahren. Nun bin ich 61 und habe in sehr vielen Klöstern gelebt. Letztes Jahr wurde ich wieder ein Wandermönch und besuchte das Kloster auf dem Berge A-Yu-Wang. Ich begann dort zu üben, jedoch verlor ich zwecklos meine Zeit. Immerhin wurde ich nach den letzten Sommerexerzitien zum Tenzo bestimmt. Morgen ist das Fest der Fahne, und ich möchte ein paar schmackhafte Gänge für die Mönche bereiten. Ich will eine Nudelsuppe kochen, aber ich konnte keine guten Pilze dafür finden, daher kam ich zu diesem Schiff, um welche zu kaufen.'‚Wann hast du den Berg A-Yu-Wang verlassen?' erkundigte ich mich.
‚Nach dem Mittagessen.'
‚Und... wie weit ist das Kloster von hier?'
‚Etwa sechseinhalb Meilen.'
‚Wann kehrst du zum Tempel zurück?'
‚Sofort, nachdem ich die Pilze gekauft habe.'
Ich erklärte dem Mönch, dass ich diese unerwartete Begegnung für ein besonderes Glück hielt und dass ich mit ihm weiterhin sprechen wolle, wenn er zum Abendessen hier bleiben könne.
‚Unmöglich', entgegnete er. ‚Wenn ich morgen nicht zurück bin, wird das Essen nicht gut werden.'
‚Ihr habt doch gewiss andere Köche zur Mitarbeit. Warum können diese nicht die Speisen allein zubereiten? Sie werden durch deine Abwesenheit allein keine Unannehmlichkeiten haben.'
‚Nein! Dies, mein Werk, ist mir für meine alten Tage anvertraut worden, es ist sozusagen die Arbeit für einen Tattergreis. Ich darf sie keinem anderen überlassen, und außerdem habe ich nicht um die Erlaubnis gebeten, über Nacht auszubleiben.'
‚Gut, wenn du schon so alt bist, wirkst du als schwerbeschäftigter Tenzo, ohne Zazen zu üben oder dich in die Buddhalehre und die Koans der alten Meister zu vertiefen? Was hast du davon, als Tenzo-Mönch so hart zu arbeiten?' fragte ich schließlich.
Als er meine Worte hörte, brach er in schallendes Gelächter aus und sagte:
‚Mein lieber Mann aus einem fremden Land, du hast keine Ahnung davon, was wahre Disziplin ist, du kennst auch nicht die Schriften.'
Ich fühlte mich bei diesen Worten beschämt und erstaunt und fragte weiter:
‚Was ist die Buddhapraxis und was sind die Schriften?'
Darauf antwortete er:
‚Wenn du nach dem Kern der Buddhalehre fragst, dann liegt schon in der Frage selbst ein Schriftzeichen und die Praxis.'
Damals konnte ich den Sinn dieser Worte nicht begreifen.
‚Wenn du das nicht verstehst, so komm einmal zum Berg A-Yu-Wang und wir werden uns über den Sinn der Schriften gründlicher unterhalten.
Damit verließ er mich und sagte noch:
‚Die Sonne geht unter, ich muss mich beeilen.' "

Die Antwort des Chefkochs erstaunte Dogen zutiefst. Dieses Treffen markierte einen weiteren Punkt auf seinem Weg zur Antwort, die mit dem ‚großen Zweifel' begann. Er betrachtete nun die Frage der Disziplin als zentralen Punkt.

Nachdem Dogen drei Monate an Bord des Schiffes gelebt hatte, entschloss er sich, zum Berg Tendo in ein Kloster zu gehen und dort sein Training zu beginnen. Das Kloster auf diesem Berg war eines der größten und berühmtesten Zenklöster Chinas; es beherbergte ca. 500 Mönche, war sehr streng und hielt sich strikt an die traditionellen Klosterregeln und Vorschriften. Dogen übte eifrig, war jedoch nicht in der Lage, seine Zweifel abzulegen. Des weiteren fühlte er sich als Fremder wie ein Außenseiter und war über den allgemeinen geistigen Stand der Mönche, der doch nicht so hoch war, wie er erwartet hatte, enttäuscht. Er beklagte sich darüber beim Abt Musai (Wu-chi), aber es änderte nichts. Der Abt selbst legte zu großen Wert auf Geld und auf sein eigenes Ansehen.

Obgleich es Dogen nicht möglich war, etwas von den sogenannten Hauptmönchen und Gelehrten zu lernen, und trotz großer Anstrengung keine Erleuchtungserfahrung erlangen konnte, setzte er sein Suchen und seine Zen-Übungen fort mit dem Ziel, die Zen-Unterweisung bei unbekannten, bescheidenen Mönchen zu finden.

Und er erhielt eine weitere Lektion von einem Tenzo. Eines Tages nach dem Essen sah Dogen, wie ein alter Mönch namens Yung vor der Buddha-Halle Pilze in der Mittagssonne trocknete. Er hielt sich nur mühsam mit einem Stock aufrecht. Dogen fragte den Mönch, wie alt er sei. ‚Sechsundachtzig, antwortete der Koch. ‚Warum nimmst du nicht einige Laien zur Hilfe, fragte Dogen darauf hin. ‚Andere sind nicht ich, entgegnete der Mönch. Dogen sagte: ‚Du lebst in Übereinstimmung mit dem Dharma, aber die Sonne brennt doch fürchterlich! Weshalb müsst ihr gerade jetzt arbeiten? Der alte Koch antwortete: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?`
Nach einer intensiven Sommertrainings-Periode kam eines Tages der Koch, den Dogen von seinem Besuch auf dem Schiff her kannte, zu Besuch in das Kloster. Er traf Dogen und sagte: „Die Sommerperiode der Exerzitien ist vorbei. Ich habe mich von meiner Tenzo-Arbeit zurückgezogen und kehre nun heim. Ich bin hergekommen, weil ich hörte, dass du da bist, und ich gerne mit dir sprechen wollte.  
Dogen sage, er sei sehr glücklich und dankte ihm für seinen Besuch. Nachdem sie sich über verschiedene Dinge unterhalten hatten, frage Dogen ihn wieder nach der Buddhapraxis und den Sinn der Schriften.
„Sich in die Schriften zu vertiefen heißt, heißt die Schriften zu verstehen, sich der Buddhapraxis hinzugeben heißt, Buddhapraxis zu verstehen , sagte der Mönch.
„Gut, was ist ein Schriftzeichen?  
„Eins, zwei, drei, vier, fünf....jedes Ding , war die Antwort.
„Und was ist Buddhapraxis und Disziplin?  
„Was immer dir begegnet. Das ganze Universum hat sie nie versteckt", antwortete der Mönch.

Dogen schreibt später: „So wusste ich nun mehr denn je, dass er ein wahrer Mann der Buddhalehre war."

Nach zwei Jahren Aufenthalt machte Dogen eine Pilgerreise zu einer Anzahl chinesischer Zen-Klöster. Diese Reise kam einer anderen Neigung Dogens zugute, nämlich sein lebhaftes Interesse an den Generationslinien im Zen. Er konnte die Dokumente der Nachfolge verschiedener Linien einsehen. Diese Dokumente wurden in den Tempeln wie kostbare Schätze gehütet. Es war eine besondere Gunst, wenn Dogen, dem japanischen Zen-Jünger, den der Eifer für den Dharma über das Meer getrieben hatte, Einsicht in diese wertvollen, oft auch ästhetisch prachtvollen Schriftstücke gewährt wurde.

„Ich begegnete Meister Ju-ching von Angesicht zu Angesicht. Das war eine Begegnung zwischen einem Mann und einem Mann!"  schrieb Dogen, tief bewegt von diesem ersten Zusammentreffen mit einem lebendigen Meister des Buddha-Dharma.

Zwei Jahre lang hatte Dogen zuvor etliche der führenden Klöster in Südchina aufgesucht, doch keinen Meister gefunden und schon beschlossen, wieder nach Japan zurückzukehren. Aber im Tien-tung, wo er sich von seinem Lehrer Myozen verabschieden wollte, weilte inzwischen ein berühmter, unvergleichlicher Meister mit Namen Ju-ching (jap. Nyojo). Dies hatte ein alter Mönch Dogen erzählt und ihm geraten, schnell zum Tien-tung Berg zurückzukehren.

Ju-ching, Dharma-Erbe der Tsau-tung- (japanisch: Soto) Schule, war 1163 geboren. Er wandte sich gegen abwegige Praktiken, die überall verbreitet wurden. Er verwarf alle unechten Traditionen und rottete schlechte Angewohnheiten aus. Er kämpfte öffentlich gegen die Intellektuellen der Koans, die Anhänger des Nembutsu, die Magier des Taoismus und die Moralisten des Konfuzianismus, die ihr Leben in unsinnigen Streitgesprächen zubrachten. Er lehnte Ruhm, feine Gewänder und materielle Privilegien ab. Bis ins hohe Alter übte er täglich bis spät in die Nacht hinein Zazen.

Dogen zitiert ihn in seinen Tagebüchern mit den Worten: „Was für einen Sinn hat es, ins Kloster einzutreten, wenn man dort nur seine Zeit vergeudet? Leben und Tod sind die entscheidenden Fragen. Die flüchtige Welt vergeht schnell... Wie töricht ist es, die knappe Zeit.... mit Schlafen zu vergeuden! Das ist es, was den Niedergang des Buddha-Dharma herbeiführt." Der denkwürdige Tag der Begegnung war der erste Tag des fünften Monats im Jahr Pao-ching  (1925).
Der Funke des Geistes war zwischen Dogen und Ju-ching sofort übergesprungen. Dogen hatte den „authentischen Lehrer"  gefunden. Ju-ching nahm ihn herzlichst auf und gewährte gerne seine Bitte, den Meister zu jeder Zeit ohne Bindung an die übliche Etikette besuchen zu dürfen. „Dogen, du musst von jetzt an nach Instruktionen suchen, Tag und Nacht. Ob du richtig gekleidet bist oder nicht, du kannst immer auch ohne Anmeldung in meine Räume kommen, um Anweisungen für den WEG zu erhalten. Ich werde dir einen Mangel an Etikette nachsehen, wie ein Vater das tun würde."  
Seit seinem „großen Zweifel"  hatte Dogen einen Meister gesucht und war nun überglücklich. Er meldete sich dann formal im Kloster an und verbrannte Räucherstäbchen auf einer wunderbaren hohen Plattform  im Kloster. Ju-ching gab ihm folgendes mit auf den Weg: „Hier ist die Verwirklichung des Dharma, die von Angesicht zu Angesicht übermittelt wurde von den Buddhas und Patriarchen. Das ist die Palasa-Blume, die Mahakasyapa auf dem Grdharakuta-Berg von Buddha Shakyamuni erhielt. Es ist das Mark (des Dharma), das Eka (der erste chinesische Patriarch) von Bodhidharma auf dem Sung-Berg erhalten hat und es ist die Robe, die der Sechste Patriarch vom Fünften Patriarchen auf dem Tung-Berg erhalten hat. Dies ist die Übermittlung von Angesicht zu Angesicht. Der Schatze des authentischen Dharma-Auges der Buddhas und Pariarchen. Es wurde nur zu meinem Kloster weitergegeben. Andere haben noch nicht einmal davon träumen können."  
Eine eindrucksvolle Gestalt von hohem Wuchs, wirkte Meister Ju-Ching nach einem Leben im Zen noch im Alter mit dem Einsatz voller Kraft. Er war ein strenger Asket, einfach und anspruchslos in der Lebensweise, liebte die grobe Klosterkost und seine rauhe Mönchsrobe. Feind aller Ehrenbezeugungen, mied er den Hof, der ihn doch in das Kloster eingesetzt hatte. Er widmete sich ganz der Ausbildung seiner jungen Mönche. Dabei verband er Strenge mit herzlicher Güte.

Wir wissen durch Dogen, wie er es mit der Übung hielt:
„Als mein verehrter Meister Ju-ching Vorsteher im Tein-tung Tempel war, tadelte er bei der Zen-Übung der Mönchsgemeinde die Eingeschlafenen, schlug sie mit dem Schuh und schalt sie mit harten Worten. Doch alle Mönche freuten sich geschlagen zu werden und lobten ihn.
Einmal sprach er folgendermaßen in der Zen-Halle: „Schon werde ich alt, ich sollte jetzt zurückgezogen von der Gemeinde in einem kleinen Anwesen wohnen und mein Alter pflegen. Aber ich bin Vorsteher, um als Freund der Gemeinde jedem beim Durchbrechen der Trübungen und dem Finden des Weges behilflich zu sein. Deshalb äußere ich manchmal Scheltworte und manchmal schlage ich mit dem Bambusstock. Das bedrückt mich sehr. Doch dies ist die Weise der Belehrung an Buddhas statt. Ihr Brüder alle, wollet dies mitleidig verzeihen!"  Als er sprach, weinten alle versammelten Mönche .

Die klösterliche Umgebung, in die Dogen sich nun hineinbegab, war geprägt von der Disziplin im Zazen. Wenn Ju-ching gesagt hatte: ‚...der Schatz des authentischen Dharma-Auges wurde nur in mein Kloster übermittelt, andere können nicht einmal davon träumen..., dann bezieht sich das auch auf die einzigartige Wertschätzung des Zazen zur Erreichung des Zieles: Erleuchtung. Es schließt andererseits nicht andere Übertragungslinien aus. Aber andere Klöster im China dieser Zeit waren weit weniger intensiv im Training des Zazen. Dazu kam ein intensiver Frage-Antwort Austausch mit dem Meister. So widmete Dogen sich praktisch Tag und Nacht dem Zazen und hinterfragte seine „Großen Zweifel", für den er dann endlich eine Antwort fand.

Während der Sommertrainingsperiode im Jahre 1225 geschah es nachts, dass ein Mönch neben Dogen einschlief. Ju-ching ermahnte diesen Mönch lautstark mit den Worten: „Wenn du mit einem Meister übst, musst du Geist und Leib fallen lassen. Warum schläfst du?" 
Bei Dogen, der unmittelbar neben diesem Mönch saß, lösten diese Worte die Schauungserfahrung aus. Dogen schrieb später: Als ich diese Worte vom Fallenlassen vom Körper und Geist hörte, wurde mit die Angesicht-zu-Angesicht Erfahrung übermittelt.

Später ging Dogen zum Abtszimmer, zündete in Ehrfurcht und Dankbarkeit ein Räucherstäbchen an, und nach einem kurzen Austausch bestätigte der Meister, dass dieser junge Japaner tatsächlich "Körper und Geist" fallengelassen hatte. Dogen hielt ihm entgegen: "Dies ist nur die Errungenschaft eines Moments. Der Meister sollte das nicht so voreilig bestätigen". Das war offenbar seine Art, den Meister zu bitten, ihn noch tiefer zu belehren; das tat Ju-ching und schließlich erhielt Dogen die Dharma-Übertragung und „so wurde die große Frage meines Lebens gelöst".  Alle Zweifel waren verschwunden, seine Erfahrung war vollkommen. Er war jetzt 25 Jahre alt.

Zunächst wünschte Ju-ching, daß Dogen ganz bei ihm bleiben und sein Nachfolger werden möge. Dogen lehnte aber schriftlich ab, weil die anderen Mönche sagen würden, es gäbe in China keinen geeigneten Nachfolger. Darauf ließ Ju-ching die Sache auf sich beruhen und dachte bei sich: "Dogen respektiert die Ehre unseres Landes und ist besorgt vor Kritik."

Ju-ching sagte: „Um Buddhas Erleuchtung weiterzugeben, muss man alle Vorstellungen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft transzendieren und erkennen, dass Erleuchtung immer da ist, gerade jetzt und niemals endend. Tendo Nyojo (Ju-ching) übergab Dogen ein Dokument, dass seinen Platz in der zum Kreis geschlossenen Linie der Soto-Schule beurkundet: Von Shakyamuni zu Bodhidharma und dem sechsten chinesischen Patriarchen Daikan Eno; von diesem über seine Nachfolger zu Tendo Nyojo und Dogen und Shakyamuni. Außerdem erhielt Dogen ein Portrait von Tendo sowie einige grundlegende Werke des Soto-Zen. „In aller Lauterkeit übergebe ich sie dir, einem fremdländischen Mönch. Ich hoffe, dass du den wahren Buddhismus in deinem Land verbreiten und dadurch verblendete Menschen retten wirst. Lebe nicht in der Nähe der Hauptstadt oder bei reichen und machtvollen Personen. Meide Herrscher, Minister oder Generäle. Bleibe tief in den Bergen, abseits von weltlichen Geschäften und widme dich ganz der Entwicklung junger Mönche, auch wenn du nur einen Schüler hast. "

Dogen sagte später, er sei mit „leeren Händen" aus China zurückgekommen, dies war seine Art, dass die Übermittlung des Buddha-Dharma, wie im Zen üblich, das einzig wesentliche ist. Myozen war inzwischen im Kloster Tien-tung gestorben. In vollkommener Zazen-Haltung nach Aussagen seiner Schüler. Dogen berichtet von wunderbaren Ereignissen, die eine Gedenkfeier für seinen verstorbenen japanischen Lehrer umgaben und dazu führten, dass man ihm auf diesem Berg eine Statue errichtete.

Dogen verließ China im August 1227 und kehrte zunächst nach Kyoto zurück.

Die von Dogen aus China überbrachte Linie des Zen in Japan fand erst nach Überwindung großer Schwierigkeiten als Religionsgemeinschaft einheitliche Form. Obwohl Dogen am Ende seines Lebens als Abt einer blühenden Mönchsgemeinde wirkte und viele ernste religiöse Menschen anzog und ihnen als geistlicher Führer wirkte, kann er doch nicht als Stifter einer eigenen Religionsgemeinschaft angesehen werden. Schon deshalb nicht, weil er, wie schon erwähnt, Sekten oder Schulen ablehnte, um schlicht den „Buddhismus des rechten Dharma  zu predigen."

Nach seiner Erleuchtungserfahrung neigte Dogen weniger zum Verurteilen und allzu hohen Ansprüchen. Auf die Frage, was er von jenseits des Meeres mitbringe, sagt er einmal: „Nicht viel außer Sanftmütigkeit".

Er begab sich in Kyoto zuerst zum Kennin-ji, wo er die Gebeine seines toten Gefährten Myozen bestattete. Er beabsichtigte nicht, eine neue Schule zu gründen, sondern widmete sich ganz der Meditation und schrieb 1227 eine kurze Anleitung zur Übung der Meditation (Fukanzazengi) in weniger als tausend chinesischen Schriftzeichen.
Die Zustände im Kennin-ji hatten sich seit dem Weggang Myozen`s jedoch arg verschlechtert und so zog Dogen es vor, nach ungefähr drei Jahren in einen kleinen Landtempel Anyoin bei Fukakusa überzusiedeln (1230).
Er lehrte Zazen und flößte seinen Schülern Zuversicht ein. Der Ort wurde bald zu einem Mittelpunkt für die Übung des Zen; viele ernste Sucher aus der Hauptstadt Kyoto pilgerten zum nahen Fukukusa.
Dogen sagte: „Der Schüler kann mit einem guten Stück Werkholz verglichen werden und der Meister einem fähigen Zimmermann. Selbst hochwertiges Holz zeigt seine feine Maserung erst, wenn ein guter Zimmermann es bearbeitet. Selbst hochwertiges Holz zeigt seine feine Maserung erst, wenn ein guter Zimmermann es bearbeitet. Selbst einem Stück Krummholz wird man bald ansehen, dass es in den Händen eines guten Zimmermanns war. Die Echtheit oder Unechtheit der Erleuchtung hängt davon ab, ob man einen wahren Meister hat...
In unserem Land jedoch hat es seit Urzeiten keine wahren Meister gegeben. Dies können wir an ihren Worten ablesen, wie wir den Ursprung eines Flusses noch weit unterhalb der Quelle am Wasser erkennen können...  
Dogen bemerkte, dass im Kennin-ji „in jedem Raum eine Lackschatulle sah, und alle Mönche hatten ihre eigenen Einrichtungsstücke, liebten feine Kleidung und horteten Schätze...  
Auch das Fukanzazengi, ein Manifest des unverwässerten Zazen, stellte nicht nur für das Kennin-ji sondern für die Priesterschaft im ganzen Land einen Affront dar.
Später fand man Dokumente aus dieser Zeit, die zeigten, dass die Priester vom Hiei-Berg darüber diskutierten, ab man nicht Dogens Haus zerstören und ihn selbst aus Kyoto vertreiben sollte.
Im Anyoin, in dieser verlassenen Einsiedelei, nahm Dogen 1234 schließlich Koun Ejo als seinen ersten Schüler an. Er war zwei Jahre älter als Dogen und hatte bereits von einem Rinzai-Meister das Siegel der Bestätigung erhalten. Nach gründlichem wissenschaftlichen Studium des Buddhismus hatte er sich der Nihon-Daruma-Schule des Zen zugewandt. Beim ersten Zusammentreffen war wohl nicht ganz klar, wer der Meister und wer der Schüler ist. Doch Dogen stellte ihn mit dem Koan „Ein einzelnes Haar gleichzeitig durch viele Löcher gehen lassen  auf die Probe. Ejo bat um Aufnahme in die Jüngerschaft und eines Abends ging er zu Dogen, machte seine Verbeugung und sagte: „Ich frage nicht nach dem Haar, aber was ist mit den vielen Löchern? . Dogen lächelte ein wenig und sagte: „Du bist hindurchgegangen." Von diesem Tag an war Koun Ejo sein Aufwärter und diente ihm bis ans Ende seines Lebens und bat sich aus, seine Asche möge am Fußende von Dogens Grab beerdigt werden, damit er ihm auch jenseits des Todes noch dienen könne.

Auch Dogen gab seinen Schülern Koan, fand aber ansonsten, dass die meisten Zen-Linien, bei denen die Koan-Schulung im Vordergrund stand vor allem im Rinzai-Zen tote Linien  geworden seien, die aufgehört hatten, das Wesen der Lehre weiterzutragen. Dennoch ist das Shobogenzo ein unerschöpfliches Koan-Handbuch.

Es konnte nicht ausbleiben, dass Dogen als der Gebende, auch empfing. Wenn zwischen Meister und Schüler oftmals eine Wechselbeziehung gegenseitiger Beeinflussung entsteht, so tritt dieser Zug bei der Dogen-Schule besonders stark hervor. Einige Meister sagen, dass ohne einen Lernprozess des Lehrers kein Lernprozess beim Schüler möglich sei.

Im Bemühen, sein Bestes seinen Jüngern verständlich zu machen und mitzuteilen, erfuhr Dogen selbst eine geistige Entwicklung,die ein Vergleich zwischen den frühen und späteren Kapiteln des Shobogenzo, seinem Lebenswerk, deutlich macht.

Der kleine Tempel Anyoin konnte auf Dauer nicht ausreichen und wurde vergrößert. Im Jahre 1235 wurde eine Mönchshalle fertiggestellt und Koun Ejo als erster Shuso oder Mönchsvorsteher ernannt. Das Anwesen wurde in Kosho-Horin-ji umbenannt. Bei der Eröffnungszeremonie legte Dogen dar, was ihm aus seiner Schulung in China erwachsen war, nämlich die Verwirklichung seines eigenen wahren Wesens oder Buddha-Wesens jenseits aller Lehrer und Ideen, jenseits der Erleuchtung selbst. Anschließend ordinierte er einige wenige neue Mönche. Hier in dieser friedlichen Abgeschiedenheit der Berge und des Uji- Flusses erarbeitete er in den nächsten zehn Jahren große Teile des Shobogenzo. Dogen wandte sich gegen jene chinesische Meister, die behaupten, alle Rede, die mit dem Verstand zu erfassen sei, könne nicht wahre Zen-Äußerung sein. „In China ist eine plumpe Anschauung im Schwange... wer so spricht, ist nie einem wahren Meister begegnet, ihm fehlt das Auge der Schulung. Dies ist wahrhaft bedauerlich, denn es stellt den Niedergang des großen Weges der Buddhas und Patriarchen dar..."  oder „... in China gibt es neuerdings solche, die sich Zen-Meister nennen, sie rezitieren ein paar Worte von Rinzai und Ummon und nehmen sie für die Wahrheit des Buddhismus. Wäre der Buddhismus mit ein paar Worten erschöpft, so hätte er nicht bis heute überleben können..."

Andererseits war ihm jedoch überdeutlich bewusst, dass man über alle Worte und Lehren hinaus zur Sache selbst vordringen muß. „Die Worte zu lesen, uneingedenk der zu ihnen gehörenden Schulung, das ist, als läse man ein medizinisches Rezept, ohne sich um das Mischen der Ingredienzien zu kümmern beides ist vollkommen wertlos. Deine Stimme zu endloser Rezitation erhebend, bist du nur wie ein Frosch im Reisfeld, der vom Morgen bis in die Nacht hinein quakt." 

Siebzehn Teile des Shobogenzo schrieb Dogen hier. Doch Dogens wachsender Ruf als Meister hatte nicht nur mehr Schüler angezogen, als das Kosho-ji verkraften konnte, sonder auch der Verärgerung bei den anderen Schulen Nahrung gegeben. Dogen, allen Rivalitäten abhold, spürte schließlich, dass hier kein Ort des Bleibens für ihn war.

Im Jahre 1243 folgt Dogen einer Einladung seines treuen Laienjüngers und Freundes Hatano Yoshishige. Hatano, ein dem Kamakura-Shogunat verbundener Samurai, ist der Mann, der Dogen dazu bewogen haben soll, die Gegend von Kyoto ganz zu verlassen. Zunächst muß Dogen mit einem kleinen Landtempel vorlieb nehmen, während Yoshishige als reicher Landeigentümer ein herrliches Grundstück für den Neubau eines umfangreichen Zen-Tempelklosters zur Verfügung stellt. Schon im folgenden Jahr konnte das neue Kloster eröffnet werden, zunächst noch unter dem Namen „Daibutsu-ji", dann umbenannt in den endgültigen Namen Eihei-ji (Tempel des ewigen Friedens) ist er für immer mit dem Andenken Dogen`s verknüpft, der in diesem Tempel eine würdige Gedächntnisstätte hat.

Der Ruf seines Namens breitete sich nun im ganzen Land aus und der neue Regent Hojo Tokiyori begehrte ihn für sein militärisches Hauptquartier in Kamakura. Dogen nahm die Einladung an und als er diese Stadt sieben Monate später wieder verließ, hatte Tokiyori, ein ernsthafter Schüler, die buddhistischen Gebote von ihm erhalten. Er kehrte im März des Jahres 1248 wieder ins Schneeland zurück. Seine immer zarte Gesundheit gab nun ernsten Anlaß zur Besorgnis. Oft war er ans Zimmer gefesselt.

Im Jahre 1250 ließ sich Dogen dazu überreden, die purpurne Ehrenrobe vom Kaiser Gosaga in Kyoto entgegenzunehmen, aber wie sein Meister Tendo Nyojo, der von seinem Meister ein Brokatgewandt geerbt hatte, weigerte er sich, ein Gewandt zu tragen, das für Streben nach Ruhm und Gewinn stand und zog seine einfache schwarze Robe vor. „Trüge der alte Mönch hier ein purpurnes Gewand, so würde er zum Gespött der Affen und Kraniche", sagte er lächelnd.

Zwei Jahre später erkrankte Dogen an Herzbeschwerden und er folgte dem dringenden Rat seiner Schüler und seines Gönners Hatano, in Kyoto medizinischen Rat zu suchen. Vor dem Aufbruch setzte er Koun Ejo als nächsten Abt des Eihei-ji ein und schenkte ihm ein Gewand, dass er selbst angefertigt hatte.
Der Überlieferung nach starb Dogen am 28. August 1253 im Seido-in, einem heute nicht mehr existierenden Tempel.

Über die Bedeutung Dogens sagte der Jesuitenpater Dumoulin in seiner Kurzbiograpfhie: "Vielleicht ist Dogen wirklich der stärkste und eigenwilligste Denker, den Japan hervorgebracht hat. Seiner Persönlichkeit eignet ein ungewöhnliches Strahlungsvermögen."

 

2. Dogen als Schriftsteller

Neben seiner Hauptberufung als Zen-Meister und Mönch war Dogen auch ein außergewöhnlich kreativer Schriftsteller.

Seine eigene Sprache ist sehr individuell und von Wiederholungen gleicher Wendungen sowie einem freien und feinen Umgang mit Grammatik und Syntax geprägt. Sie unterscheidet sich vom Sprachgebrauch seiner Zeit und auch vom heutigen Japanisch. Er übernimmt Ausdrücke aus der chinesischen Umgangssprache der Sung-Zeit und findet dafür seinem eigenen Stil entsprechend japanische Wortgebilde. Eine adäquate Übersetzung ohne ausreichende Kenntnisse der buddhistischen Lehre und seiner Lebensumstände ist schlechthin unmöglich. Auch so bedarf es erheblicher Interpretationskunst und viele Übersetzer kapitulierten und erklären seine Texte für "unübersetzbar ".

Als Beispiel diene hier der Titel seines Hauptwerkes: Shobogenzo. Die vier Schriftzeichen Sho - bo - gen - zo nebeneinandergestellt ergeben: Wahrheits-Gesetzes-Augen-Schatzkammer. Wilhelm Gundert, der auch das Bi-yän-lu übersetzte, paraphrasiert: "Fülle der Wahrheitsschau  und erklärt: "Alle Kostbarkeiten, von denen das Auge, welches das richtige wahre Buddhagesetz erschaut, voll ist.  John Stevens übersetzt ins Englische: "The Eye and Treasury of the True Law , was dann im Deutschen (Manfred Eckstein) zu "Die Schatzkammer der Erkenntnis des Wahren Dharma  wurde. Das Problem ist das Schriftzeichen gen, (Auge). Es ist die Mitte dieser schwierigen Wortverbindung. Das Auge der Erleuchtung, das Buddha-Auge?
Wahrheits-Gesetz ist in Dogen´s mahayanistischen Weltanschauung der Dharma des Buddha. Er ist der Inbegriff der Wirklichkeit. Er umfasst allen Buddhismus, alle Fahrzeuge und sämtliche Schulen. Indem er den Buddhismus vom Standpunkt des wahren Dharma her betrachtet, überwindet Dogen die gängigen Unterschiedlichkeiten. Auch alle heiligen Schriften und Riten vermag er von diesem höheren Standpunkt aus zu bejahen, wenn er auch gelegentlich in seinen Urteilen abwertet und sogar polemisiert.

Was können wir von Dogen lernen? Trotz des großen zeitlichen Abstandes zwischen uns und ihm, gilt für uns auch als wichtigste Aufgabe: Wach zu werden, sich selbst verstehen, durch dieses Aufwachen die Welt verstehen.

Dogen spricht mit einer Konsequenz, die wir uns zu Herzen nehmen können! Und durch seine Worte hindurch dringt seine große Erfahrung der Erleuchtung an unser Herz !
Neben seinem Meisterwerk Shobogenzo, das den ganzen Bereich seines Denkens umfasst, gibt es eine Sammlung von Regeln für die Mönche seines Klosters Eiheiji und das berühmt gewordene Tenzo Kyokun, die Anweisungen für den Küchenmeister. Weiterhin das Shobogenzo Zuimonki, eine Aufzeichnung mündlicher, spontaner Dharma-Reden Dogens und das Hokyo-ki, eine Sammlung von Fragen und Antworten Dogens an seinen Meister. Außerdem das Eihei Koroku, "Allgemeine Grundsätze von Eihei Dogen", das Gakudoyojinshu, "Vorsichtsmaßnahmen für das Studium des Weges", das Sanshodoei, eine Sammlung von Dogens Lyrik sowie das Sambyaku kosoku, eine Sammlung von 300 Koans, die zum Teil auch in das Shobogenzo mit einflossen. Und seine erste kleine Schrift Fukanzazengi, eine Empfehlung zur Zen-Meditation.

Das Lebenswerk Dogen`s, das Shobogenzo, ragt aber unter allem heraus.

Wie viel wissen wir über die Arbeitsweise des Meisters?  Das Shobogenzo der Standartausgabe der Werke Dogen´s ist im japanischen Stil abgefasst, in den Fluß der japanischen Schriftzeichen sind zuweilen oder manchmal auch öfters chinesische Zitate in Schriftzeichen eingestreut.

Dogen hat das in China gesammelte Material redigiert und von den chinesischen Texten angeregt, schuf er im Umgang mit seinen Jüngern ein Neues, eben sein Lebenswerk des japanischen Shobogenzo.

Dogen hat seine eigene, den Gedanken prägende Sprache. Sie besitzt in Ausdruck und Inhalt eine unverwechselbare Einzigartigkeit.