Zur Geschichte des Buddhismus im deutschsprachigen Raum.

 

 

„Der Buddha ist erwacht, hat die Lehre zum Erwachen gelehrt. Die Inder haben sie gehört, verstanden und verwirklicht. Die Singhalesen haben sie aufgeschrieben und immer wieder abgeschrieben. Die Engländer haben sie in lateinische Buchstaben transkribiert und Deutsche haben sie übersetzt und gelehrt. Und wir haben sie gehört. Das ist die Geschichte des Buddhismus in Kürze.

Am Anfang stand die vollkommene Erwachung des Vollendeten. Alles, was die Menschen an seinen Berichten davon änderten, konnte nur Verschlechterung sein, im allerbesten Fall Wiederholung mit anderen Worten, die der späteren Zeit angepasst waren. Die Geschichte des Buddhismus als Lehre ist seine Verfallsgeschichte.“

(Dr. Hellmuth Hecker)

Hier folgen einige Daten und Fakten zur jüngeren Buddhismus-Geschichte in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum:  

Der österreichische Jesuitenpater, Astronom und Mathematiker Johannes Grueber war der erste Europäer, der als Kundschafter des Papstes - im Juni 1661 - die tibetische Hauptstadt Lhasa betrat und dort etwa einen Monat lang blieb. Er berichtete von “Götzenbildern“, unter denen “Manipe“ den ersten Platz einnimmt: „Vor diesem Götzenbild wiederholen sie immer wieder die folgenden Worte: „O Manipe mi hum, O Manipe mi hum“, was soviel bedeutet wie „Oh Manipe erlöse uns!“.“

Sehr wahrscheinlich hatte er beobachtet, wie Mantras, z.B.  „Om mani padme hum“ vor Buddha– oder Bodhisattva-Statuen rezitiert wurden. Er berichtete auch von augenscheinlichen Übereinstimmungen der Riten der katholischen Kirche und den Zeremonien buddhistischer Priester im damaligen Tibet.

Rund 100 Jahre später hatte die russische Zarin Katharina II. deutsche Siedler in ihr Reich eingeladen, um fruchtbare und dünn besiedelte Regionen an der mittleren und unteren Wolga zu erschließen. So kamen wolgadeutsche Missionare und Händler in die Kalmückensteppe. Auch “Herrnhuter Christen“ (eine im Jahre 1722 gegründete evangelisch-christliche Bewegung) wollten dort missionieren. Sie hatten damit keinen Erfolg, berichteten aber, dass sie ein Volk mit einem „fein ersonnenen Religionssystem“ vorfanden (Die Kalmücken, ein mongolisches, buddhistisches Volk war 100 Jahre zuvor an die Nordwestküste des Kaspischen Meeres gelangt und hatte sich angesiedelt. Heute ist Kalmückien eine autonome Republik mit rd. 300.000 Einwohnern).

Die damaligen Eindrücke über deren buddhistische Kultur tibetischer Prägung beschrieben die Herrnhuter so: „Sie finden das Evangelium sehr schön und loben es, eben weil es, wie sie sagen, dasselbe enthält, wie ihre Religionsschriften. Sagt man einem gelehrten und scharfsinnigen Kalmücken von der Liebe, die unsern Heiland in den Tod getrieben hat, so weiß er von Schachdschamuni (Anmerkung: offenbar Sakyamuni Buddha), ihrem jetzt regierenden, obersten Gott zu erzählen, dass er wer weiß wie oft gestorben ist, bald um sich in Hasengestalt einem verschmachtenden Wanderer zur Speise zu bieten, bald auf die oder jene Weise einem Andern einen ähnlichen Gefallen zu tun. Hält man ihm vor, dass ein Mittler ist zwischen Gott und den Menschen, so freut er sich, dass die Kalmücken viele Tausend Mittler haben und glaubt dadurch im Vortheil zu sein.“ (Anmerkung: offenbar ist der Bodhisattva in Jataka-Erzählungen gemeint).

Die Kalmückenmission der Herrnhuter brachte aber einen bedeutenden Wissenschaftler hervor: Isaak Jakob Schmidt (1779-1847), Mitbegründer der modernen Mongolistik, Tibetologie und Buddhologie. Er wurde der erste deutschsprachige Autor und Übersetzer buddhistischer Bücher. Aus seinen Werken erhielt Artur Schopenhauer wichtige Informationen.

Einen Einblick in den Zeitgeist gewährt auch der Leipziger Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler (1706-1751) in seinem „Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste“, erschienen 1733: „Buddou, ein Gott deren Einwohner auff der Insel Ceylon, welchen sie für einen Vorsteher des Friedens halten, und dem sie die Seeligkeit deren Seelen zuschreiben, auch dessentwegen sehr hoch ehren. Dieser soll ehemalhls auff Erden kommen seyn, und so lange auff Erden gewesen, hätte er meistentheils pflegen unter dem Baum Bogohah zu sitzen.“ (Anmerkung: offenbar ist Bodh Gaya gemeint).

Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) hatte einige Vorstellungen von jesuitischen Missionaren (deren Arbeiten ansonsten meist im vatikanischen Archiv verschwanden) übernommen und sprach vom „Nichts“ als „erstem Prinzip“ im Buddhismus.

Immanuel Kant (1724-1804) hatte deutlichere Vorstellungen als Leibnitz. Er erwähnte in seinen Vorlesungen Karma, Wiedergeburt und Abwesenheit eines höchsten Gottes im monotheistischen Sinn.

Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) aber war sozusagen der „erste deutsche Buddhist“. 1844 schrieb er in der 2. Auflage von “Die Welt als Wille und Vorstellung“ Kap. 17 den berühmten Satz :  “Wollte ich die Resultate meiner Philosophie zum Maßstabe der Wahrheit nehmen, so müsste ich dem Buddhaismus den Vorzug vor den anderen (Religionen) zugestehen.“ Seine Grundeinstellung war: Die letzten Geheimnisse trägt der Mensch in seinem Innern, daher er nur hier den Schlüssel zum Rätsel der Welt zu finden hoffen darf. Er bezeichnete sich selbst als Buddhist (bzw. Buddhaist) und stellt 1856 bei sich zuhause eine Buddhastatue auf.  Im gleichen Jahr fasste der Komponist und Dichter Richard Wagner, durch die Lektüre Schopenhauers auf den Buddhismus aufmerksam geworden, den Plan zu einem Musikdrama, dass den Buddha auf die deutsche Opernbühne bringen sollte.

1881 erschien ein Buch des hervorragenden Indologen Hermann Oldenburg: „Buddha. Sein Leben. Seine Lehre. Seine Gemeinde.“ Anhand von Pali-Texten wurde hier erstmals für den deutschen Sprachraum die Lebensgeschichte des Buddha rekonstruiert. Die Bedeutung dieses Buches für die moderne Forschung lag in der Tatsache, dass Oldenberg in ihm den Nachweis der Historizität des Buddha erbrachte. Er hatte sich damit gegen die von mehreren Forschern seiner Zeit vertretene Auffassung durchgesetzt, dass es sich beim Buddha um eine lediglich mythische Gestalt handle. Oldenberg übersetzte auch den Vinaya-Pitaka.

1888 erschien die erste Auflage des „Buddhistischen Katechismus“ von Friedrich Zimmermann unter dem Sanskrit-Pseudonym „Subhadra Bhikshu“. Das Buch, nach dem Vorbild des englischen „Buddhist Catechism“ von Henry Steel Olcott gestaltet, wurde ein Bestseller. Es erlebte 14 Auflagen und wurde in 10 Sprachen übersetzt.

1900 - 1945

Etwa um die Wende zum 20. Jahrhundert herum setzte ein entscheidender Durchbruch ein. Es waren vor allem drei Männer, die dafür verantwortlich waren. Anton Gueth (der spätere ehrw. Nyanatiloka Mahathera), Paul Dahlke und Karl Eugen Neumann. Bei allen Dreien spielten die Theravadaschriften, wie sie auf der Insel Sri Lanka bzw. damals Ceylon aufbewahrt wurden, eine Rolle. Alle drei reisten auch selbst nach Sri Lanka.

Anton Gueth fasste 1902 den Entschluss, nach Indien zu reisen. Er wurde in Burma 1903 Novize und 1904 als erster Deutscher ein Bhikkhu, ein voll ordinierter buddhistischer  Mönch. Er erhielt den Namen Nyana-ti-loka (Kenner der drei Welten). 1911 konnte er im Süden Sri Lankas ein Kloster auf einer kleinen Insel gründen, zu der bald viele Deutsche reisten, um ordiniert zu werden und um die Lehre zu studieren. Nyanatiloka hatte viele Mönchsschüler und auch Laien, darunter die Debes-Brüder und Sigmund Feniger, den späteren ehrw. Nyanaponika Mahathera. Nyanatilokas Sprachbegabung war enorm und er übersetzte u.a. die Angereihte Sammlung (Anguttara-Nikaya) komplett ins Deutsche.

1954 hatte er die Freude, in Burma am 6. Buddhistischen Konzil in Yagu bei Rangoon teilzunehmen. Dazu war in Nachbildung des 1. Konzils, das ein halbes Jahr nach dem Tod des Buddha bei Rajagaha in Bihar in einer Höhle stattgefunden hatte, eine Versammlungshalle in Form einer Höhle errichtet worden. An diesem Konzil nahmen 2500 buddhistische Mönche teil, darunter auch Nyanatiloka und sein Schüler Nyanaponika. Sie waren die einzigen westlichen Mönche, andere waren nur als Beobachter dabei. Falls nicht beim 3. Konzil unter Kaiser Ashoka Griechen beteiligt waren, waren sie die ersten Abendländer bei einem buddhistischen Konzil.

Über Nyanatilokas bewegtes Leben gibt es ein interessantes Buch: „Der erste deutsche Bhikkhu“, von Hellmuth Hecker.

Paul Dahlke bekam den ersten Anstoß für seine Weltanschauung von Schopenhauer. Er war ein berühmter Arzt und machte mehrere Weltreisen. So kam er im Frühjahr 1900 nach Sri Lanka mit dem Ziel, den Buddhismus zu studieren. Er kam in Kontakt mit buddhistischen Gelehrten und wurde bald Buddhist. 1903 erschien sein erstes Buch. Auf Sylt kaufte er ein Riesengelände von 20 Morgen, um in Deutschland eine Art Laienkloster zu errichten. Diesen Plan gab er später auf. Aber 1923, mitten in der Inflation, bekam er ein riesiges Grundstück in Berlin-Frohnau geschenkt, ein Gelände von 11 Morgen Heide und Kiefern. Dort entstand dann mit Hilfe von Spenden der erste buddhistische Tempel in Westeuropa. 1924 konnte er einziehen und rege Tätigkeiten für die Lehre entfalten. Auch Kurt Fischer, ein Schüler, zog mit seiner Ehefrau dort ein. Sie blieben auch nach dem Tod Dahlkes dort wohnen, hielten Uposatha-Feiern ab und veröffentlichten eine Zeitschrift: "Buddhistisches Leben und Denken." Diese wurde 1942 eingestellt. Heute wird das Haus von einer singhalesischen Gesellschaft verwaltet. Es finden regelmäßig Veranstaltungen und Lehrvorträge auch buddhistischer Mönche aus Sri Lanka statt.

Ein Meilenstein wurde schließlich die Arbeit von Karl Eugen Neumann. Er studierte Indologie (u.a. bei Oldenberg) und begann in Wien mit seiner Übersetzungstätigkeit. Bereits 1892 erschein seine "Buddhistische Anthologie". Neumann war Indologe und auch Buddhist, so verband er Wissenschaft und persönliche Lehrnachfolge. 1893 begann er mit der Übersetzung der Mittleren Sammlung (Majjhima Nikaya). 1894 unternahm er eine Reise nach Indien und Ceylon. Er weilte zwei Monate auf Ceylon und knüpfte enge Kontakte mit gelehrten Mönchen. Anschließend reiste er einen Monat durch Indien. 1894 war er wieder in Wien. Danach ging seine Übersetzung der Palitexte weiter. Im Laufe der Jahre erschienen nun seine Übersetzungen der je drei Bände der Mittleren und der Längeren Sammlung, der Lieder der Mönche und Nonnen und des Suttanipata. In Reinhard Pieper in München fand er 1904 einen kongenialen Verleger.

Der erste buddhistische Verein (genannt "Buddhistischer Missionsverein für Deutschland") wurde 1903 in Leipzig gegründet, Karl Seidenstücker war hier maßgeblich beteiligt. 1906 wurde der Verein in „Buddhistische Gesellschaft für Deutschland“ umbenannt. Seidenstücker betätigte sich auch als Herausgeber und Redakteur erster buddhistischer Zeitschriften, so z.B.: Der Buddhist (1905).  Die folgende Vereinsgründung, der "Bund für buddhistisches Leben" folgte 1912 in Halle. Der erste Vorsitzende des Vereins, der Arzt Wolfgang Bohn, hatte ein Jahr zuvor auf seinem Anwesen in Dölau bei Halle die erste buddhistische Kultstätte in Deutschland errichtet.

Prof. Richard Pischel, der 1908 59jährig in Madras starb, schrieb das Buch: "Leben und Lehre des Buddha".

1906 erschien im Leipziger Lotus-Verlag das Buch "Das Leben des Buddha" von Dr. Julius Dutoit, Gymnasiallehrer in München. 1908 erschien die komplette Jataka-Sammlung des Pali-Kanons, übersetzt von Dr. Dutoit. Eine Arbeit,  nahezu vergleichbar mit der von Karl Eugen Neumann.

Walter Markgraf reiste 1908 nach Burma und wurde danach Schüler von Nyanatiloka in Sri Lanka. Zurückgekehrt nach Deutschland gründete er in Breslau den ersten buddhistischen Verlag und gab eine Zeitschrift namens "Indien und die Buddhistische Welt" heraus.

Einem breiterem Publikum  war die Lehre des Buddha trotz allem kaum bekannt und der Tenor in wissenschaftlichen Büchern war eher so, dass Buddhismus eine pessimistische Weltsicht sei. Ein Zitat aus dem Buch „Der Buddhismus“ (Tübingen 1911), von D. Edv. Lehmann, Professor der Religionsgeschichte an der Universität Berlin: „Buddha und Darwin in schönster Eintracht über die Prinzipien der Biologie: über die Entwicklung des Lebens und das Bestehen des Lebens! Nur dass ihre Eintracht damit endet, dass sie dem Menschen die entgegen gesetzten Ratschläge zurufen; Darwin: Halte fest an deinem Lebenswillen! Kämpfe für dein Dasein! Buddha: Gib das Dasein auf! Vernichte deinen Lebenswillen!“

Zu der Übersetzungstätigkeit von Karl Eugen Neumann gab es später von berufener Seite viel Lob, so von dem Dichter und Denker Hermann Hesse oder vom berühmten Thomas Mann: „Die Reden Gotamo Buddhos in der Übersetzung von Karl Eugen Neumann habe ich durch alle Stationen meiner Wanderung glücklich hindurchgerettet, und noch heute stehen sie in meiner Kilchberger Bibliothek. Sie bleiben mir ein wirklich kostbarer Besitz. Ich bin der Überzeugung, dass die Verdeutschung durch Karl Eugen Neumann zu den großen Übersetzungen der Weltliteratur gehört.“

Im Oskar Schloß - Verlag erschienen zu der Zeit die meisten buddhistischen Bücher eines deutschen Verlages. Oskar Schloß (1881-1945) hatte viel von seinem Privatvermögen für buddhistische Veröffentlichungen investiert. Er gab zwei Zeitschriften mit einer Auflage von je 3000 Exemplaren heraus und veröffentlichte diverse buddhistische Schriftenreihen: Buddhistische Taschenbibliothek, 5 Bd. 1914. Benares-Bücherei, 9 Bd., 1924. Buddhistische Volksbibliothek, 23 Bd. 1924-25.

Von Kurt Schmidt erschien 1917 das Buch: "Der Buddha und seine Lehre" nach einem Vortrag im Münchner Monistenbund.

1921 gründeten Georg Grimm und Karl Seidenstücker in München die „Buddhistische Gemeinde für Deutschland“, die später in „Altbuddhistische Gemeinde“ umbenannt wurde. Von Martin Steinke (1882-1966) wurde 1922 die auf dem Theravada beruhende "Gemeinde um Buddha e.V." in Berlin gegründet.

Edmund Husserl, Begründer der transzendentalen Phänomenologie und Lehrer Martin Heideggers stellte eine tiefsinnige Betrachtung über den Buddhismus an, die im Jahre 1925 veröffentlicht wurde. Er schrieb, dass die Übersetzung der buddhistischen Schriften uns die vollkommene Möglichkeit verschaffe, eine der europäischen konträre Art der Welt-Schau kennenzulernen. Er bescheinigt dem Buddhismus innere Konsequenz, Energie und edle Gesinnung und fordert eine völlige Gleichstellung des Buddhismus mit den höchsten Erscheinugsformen europäischen Denkens und Glaubens. Alfred Hillebrandt schrieb in seinem Buch "Buddhas Leben und Lehre": "Eine unerwartete Bestätigung des Glaubens an die Echtheit und das Alter des Pali-Kanons haben die glänzenden Funde der Turfanexpedition unter der Führung von Lecoq, Grünwedel, Aurel Stein u.a. gebracht. Sie zogen Reste alter Handschriften und Blockdrucke ans Licht, deren Erforschung durch R. Pischel das Vorhandensein eines alten Sanskrit-Kanons im Norden ergab, der von dem Palikanon unabhängig ist, aber 'in dem Kern der Lehre Buddhas' eine Übereinstimmung beider Fassungen zeigt, so dass die nördliche und südliche Überlieferung, die später sehr auseinandergingen, einen gemeinsamen Ausgangspunkt gehabt haben müssen.

Im gleichen Jahr 1925 verfilmte die Münchner Filmgesellschaft Emelka unter der Regie von Franz Osten in Indien die Lebensgeschichte des historischen Buddha unter dem Titel "Die Leuchte Asiens".

1926 wurde Dr. med. Wolfgang Schumacher (1908 - 1961) der letzte persönliche Schüler von Paul Dahlke. Er gründete 1932 die buddhistische Zeitschrift "Wissen und Wirken" und veranstaltete 1933 in Berlin einen buddhistischen Kongress.

1933 wurde Martin Steinke in einem Zen-Kloster in Shanghai zusammen mit 12 europäischen Novizen und 150 Chinesen zu Mönchen und Bhodisattvas geweiht. Er erhielt den Namen Tao Chün und brachte später zahlreiche Bücher und Veröffentlichungen heraus, in erster Linie über Zen-Buddhismus.

Zwischenzeitlich wurde die Gruppierte Sammlung (Samyutta Nikaya) von dem Münchner Indologen Wilhelm Geiger übersetzt. Er brach seine Arbeit allerdings ab. Der deutsche buddhistische Mönch Nyanaponika übersetzte 1941 weiter wichtige Texte aus dieser Sammlung im Internierungslager. 1993 wurde die Übersetzung der Gruppierten Sammlung durch die Arbeit von Hellmuth Hecker zum Abschluss gebracht.

Das Dritte Reich (1933-1945) ist trotz des scheinbaren Interesses vereinzelter Machthaber am Buddhismus eine Zeit des Stillstands für seine Entwicklung in Deutschland gewesen. Offen bekämpft wurde der Buddhismus während der Nazi-Zeit nur in Einzelfällen. Die Buddhisten galten im Nazi-Reich als Sonderlinge und Pazifisten. Kurt Fischer musste jede Ausgabe seiner Zeitschrift: "Buddhistisches Leben und Denken" an die NS-Zensur einschicken. 1942 erhielt er die Mitteilung, dass er die Zeitschrift wegen Papiermangels einstellen müsse.

Später (1967) schrieb Dr. Hecker in einem Vorwort zu den Lehrreden des Samyutta-Nikaya: "Im Frühjahr 1941, als Deutschland sich zum Überfall auf Russland anschickte, übersetzte auf Ceylon ein deutscher buddhistischer Mönch einen Teil der Reden des Buddha, in welchem die tiefste und sicherste Begründung für die Überwindung aller Gewalt enthalten ist... Der Übersetzer, der Ehrwürdige Nyana-ponika (d.h. zum Erkennen Geneigter), ist gebürtiger Deutscher. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg trat er auf Ceylon als Mönch in den buddhistischen Orden ein und wurde hier Schüler eines anderen deutschen Mönches, des 1957 verstorbenen Ehrwürdigen Nyana-tiloka (Kenner der drei Welten), der schon 1914 die Mönchsgelübde abgelegt hatte.

Nach dem 2. Weltkrieg bis heute

In Berlin gründeten Harry Pieper die "Buddhistische Mission", Guido Auster das "Buddhistische Sekretariat", Lionel Stützer die "Buddhistische Gemeinde" und Dr. Kurt Schmidt die "Buddhisitsche Arbeitsgemeinschaft". 1951 entstand auf Betreiben Schmidts aus diesen Gruppen die "Buddhistische Gesellschaft Berlin".

Dr. Helmut Palmié gründete 1947 die "Buddhistische Gemeinde Hamburg" und gab die Monatsschrift "Studia Pali-Buddhistica" heraus.

1948 ging Paul Debes an die Öffentlichkeit. Er hielt in Hamburg und anderen Großstädten Norddeutschlands öffentliche Vorträge. Diesen Vorträgen mit bis zu 500 Zuhörern schlossen sich vertiefende Abendseminare mit etwa 80 Teilnehmern an. So entstand das "Buddhistische Seminar", offiziell gegründet 1948 in der Eilshorst. Ab 1949 führte Debes seine intensiven “Forschungswochen” durch. Das Seminar machte es sich zur Aufgabe, die Unterweisungen des Buddha für den heutigen westlichen Menschen zu erschließen. Die Zeitschrift „Wissen und Wandel“ erscheint fortlaufend seit 1955.

Von 1948 bis 1961 gab der Schweizer Max Ladner die Zeitschrift "Die Einsicht" heraus, die zur repräsentativen buddhistischen Zeitschrift  für den deutschsprachigen Bereich wurde.

1950 weihte der burmesische Mönch U Thunanda in Berlin Hans-Ulrich Rieker zum Novizen, die erste solche Weihe in Deutschland.

Nach Gründung der "World Fellowship of Buddhists" in Sri Lanka im Jahre 1950 haben fast lückenlos deutsche Buddhisten mit aktiven Mitgliedern an den Konferenzen teilgenommen. Erstmals war 1952 Dr. Helmut Klar in Tokyo als Delegierter anwesend. 1954 in Rangoon vertraten Felix Knobeloch und Helmut Klar die deutschen und österreichischen Buddhisten.

1952 erfolgte durch Rieker in Berlin auch die Gründung eines westlichen Zweiges des vom Lama Govinda (Ernst Lothar Hofmann) gegründeten Ordens Arya Maitreya Mandala.

In Hamburg wurde auf Anregung des singhalesischen Mönches Narada Mahathera im Jahre 1954 die Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V. gegründet. Gründungsmitglieder waren Paul Debes, Max Glashoff, Hellmuth Hecker, Wilfried Klinger, Dorothea Gräfin von Matuschka, Carl Roosen und Wilhelm A. Siegemann. Narada Mahathera übernahm das Patronat. Die Gesellschaft wurde gegründet als eine Vereinigung von Personen, welche die im Pali-Kanon niedergelegte Lehre des Erwachten als eine wirklichkeitsgemäße Aussage über das Dasein anerkennen und sich bemühen, ihr Leben dem entsprechend einzurichten.

Weitere Bestrebungen führten dazu, dass 1955 die „Deutsche Buddhistische Gesellschaft“ und damit eine Dachorganisation aller Buddhisten in Deutschland, gegründet wurde. Maßgeblichen Anteil daran hatte Joseph German Bauer (1893-1983), der schon 1925 die Buddhistische Gesellschaft München gegründet und an der dort erschienenen Zeitschrift "Buddhistische Monatshefte" mitgewirkt hatte. Die Geschäftsstelle befand sich bei Max Glashoff in Hamburg.

Ab 1958 wurde daraus der Dachverband „Deutsche Buddhistische Union.“ Hier sollten dann auch Gruppierungen aller Lehrrichtungen vereinigt werden. Unter dem Vorsitz von Karl Schmied wurde beschlossen, die notwendigen Schritte zur Gründung einer Buddhistischen Religionsgemeinschaft in Deutschland einzuleiten, die staatlicherseits als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß dem Grundgesetz anerkannt werden sollte. Der Antrag wurde in der Kultusministerkonferenz zunächst einmal verschoben; der Einspruch Bayerns vereitelte diese Initiative auf Jahrzehnte. Doch die Einigung auf ein „Buddhistisches Bekenntnis“ der inzwischen vielen verschiedenen buddhistischen Gruppierungen in Deutschland stellte im westlichen Buddhismus eine allseits anerkannte Novität dar.  Auf den jährlich stattfindenden Tagungen wurden neben sachlichen Problemen vor allem auch persönliche Kontakte unter dem Gedanken der buddhistischen Brüderlichkeit gepflegt.

1960 kam Lama Govinda (Ernst Lothar Hoffmann) nach langem Asienaufenthalt zurück nach Europa, auch nach Deutschland. Auch er war seinerzeit (1928) neun Wochen bei Nyanatiloka auf der Island Hermitage gewesen. Jetzt kam er als Vertreter des tibetischen Buddhismus zu einer internationalen religiösen Konferenz in Venedig. Und 1965 hielt er im "Haus der Stille" in Roseburg ein Seminar ab.

Mitte der sechziger Jahre bot im "'Haus der Stille" auch Bhikkhu Vimalo (Walter Kulbarz) langfristige Meditationskurse im Stile der Theravada-Tradition an, für die damaligen Verhältnisse in Deutschland etwas völlig Neues.

1968 gibt der Philosoph Professor Kurt Leider ein wissenschaftliches Buddhawerk heraus. Der Titel war "Buddha. Leben - Lehre - Jüngerschar." Er war ein Schüler von Rudolf Otto Franke, der bereits 1913 eine eigene Übersetzung der "Längeren Sammlung" erarbeitet hatte. Aus den Nachlaßarbeiten Professor Frankes erarbeitet, entstand so ein Gemeinschaftswerk von Lehrer und Schüler.

Der Schweizer Buddhist Kurt Onken (1914-2007) gründete zusammen mit anderen Buddhisten 1972 in Winterthur die "Buddhistische Gemeinschaft". Diese Gemeinschaft, die bald ein Seminarhaus in Dicken erwarb, entwickelte ein lebhaftes buddhistisches Leben und zog viele Nachfolger und Kenner des Theravadabuddhismus an. Hellmuth Hecker, Fritz Schäfer und Paul Debes hielten hier Vorträge ebenso wie auch verschiedene buddhistische Mönche.

Seit 1975 wurde von Kurt Onken auch die Buchreihe "Bodhi-Blätter" herausgegeben. Bis 2003 sind 38 Nummern erschienen. Hier finden sich Perlen der theravadabuddhistischen Literatur.

Die österreichischen Buddhisten erhielten 1983 die volle Anerkennung einer Religionsgemeinschaft. Entscheidende Verdienste um diese Anerkennung hatte Dr. med. Walter Karwath (1919 - 1986), der auch einige gute Bücher zum Buddhismus geschrieben hatte.

Die buddhistische Gesellschaft München konsolidierte sich in den achtziger Jahren und veranstaltete 1987 zusammen mit zahlreichen buddhistischen Gruppen Münchens die "I. Münchener Dharmatage", an denen etwa 200 Personen teilnahmen.

Seit 1990 entstand ein regelrechter Buddhismus-Boom in Deutschland. Es entstanden nochmals neue Gruppierungen und Zentren, u. a. in Bayern das Buddha-Haus, in welchem die Theravada-Nonne Ayya Khema (Ilse Ledermann, geb. 1923), die in Sri Lanka ordiniert worden war, lehren konnte. Sie entfaltete eine große Wirksamkeit in ganz Deutschland, z.B. hatte sie auch 1987 das Patronat der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg übernommen.

Im "Buddhayana Zentrum" in der Nähe Kölns wurde von 1990 bis 2000 in der Tradition des burmesischen Meditationsmeister Mahasi Sayadaw gelehrt und meditiert.

Veröffentlichungen in der Presse und Berichte im Fernsehen erschienen vermehrt. Nicht zuletzt auch durch die Verleihung des Nobelpreises an den Dalai Lama 1989 wurde der Buddhismus immer mehr einer breiten Öffentlichkeit bekannt und gewohnt.

Mit der Veranstaltung des Kongresses der „Europäischen Buddhistischen Union“ (EBU) durch die Deutsche Buddhistische Union (DBU) in Berlin 1992 zum Thema „Einheit in der Vielfalt“ konnte die Entwicklung des deutschen Buddhismus eine neue Wegmarke setzen.

Für den 1995 gegründeten "Verlag Beyerlein - Steinschulte" war es ein Hauptanliegen der Verlagsarbeit, die ältesten Texte des Buddhismus, die Reden des Buddha, wieder herauszugeben. Inzwischen gibt es darüber hinaus ein umfangreiches Programm mit sehr guter buddhistische Literatur von Nyanatiloka Mahathera, Nyanaponika Mahathera, Max Ladner, Hans Wolfgang Schumann, Alfred Weil, Hellmuth Hecker, Fritz Schäfer und anderen.

Inzwischen gibt es mehrere Verlage und Buddhistische Zeitschriften in Deutschland. Man schätzt die Anzahl der Buddhisten in Deutschland heute auf ca. 150000. Sympathisanten und Interessenten in größerer Zahl kommen dazu. Außerdem ungefähr die gleiche Anzahl asiatischer Buddhisten, die in Deutschland leben.

Es bestehen viele Netzwerke und Freundschaften auch zwischen verschiedenen Lehrmeinungen. Ferner eine Anzahl Seminarhäuser, verteilt über ganz Deutschland und auch etliche gute Lehrer dafür, die hier nicht alle genannt werden können.

Hier folgt noch eine interessante wissenschaftliche Studie von Dr. Marin Baumann zum Thema:

 


 

Buddhismus in Deutschland - Geschichte und Gegenwart

Dr. Martin Baumann

Dr. Martin Baumann ist Lehrbeauftragter am Seminar für Religionswissenschaft an der Universität Hannover und untersucht die Verbreitung asiatischer Religionen im Westen. Er ist Autor der Studie „Deutsche Buddhisten“, 2. erw. Aufl., Marburg 1995.

Die Anwesenheit buddhistischer Mönche, Nonnen und Zentren in Deutschland wie allgemein in Europa überrascht heute nur noch wenige. Vor nicht einmal zwei Jahrzehnten war die Lage jedoch noch eine ganz andere. Buddhistische Roben und kurzgeschorene Köpfe wie auch Vorträge und Seminare zum Buddhismus bildeten eine exotische, befremdend-anziehende Ausnahme. Mußte man Mitte der 1970er Jahre noch nach buddhistischen Gruppen und Häusern suchen, so kann man Mitte der 1990er Jahre in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München und dem Köln-Bonner Raum zwischen 20 bis 30 buddhistischen Gruppen, Schulen und Traditionen auswählen. Die Pluralität des Buddhismus in Deutschland, wie allgemein im Westen, kann als eines seiner Markenzeichen gelten. Anders als in vielen Ländern Asiens ist nicht eine Haupttradition dominierend, sondern der Buddhismus besteht aus einer Vielzahl von Schulen und Traditionen, von inhaltlichen Angeboten und Praxismöglichkeiten. Daß auch dieses nicht seit Beginn des Interesses an buddhistischer Philosophie, Ethik und Meditation der Fall ist, wird die folgende Skizze der Rezeptionsgeschichte buddhistischer Traditionen in Deutschland aufzeigen.

Als „Kanal, durch welchen der buddhistische Geist in die Gefilde des Abendlandes einfloß“, hatte Pfarrer Theodor Simon um die Jahrhundertwende die Philosophie Arthur Schopenhauers bezeichnet. Durch Schopenhauers Philosophie kamen viele Gelehrte der Zeit, Akademiker, Künstler und Intellektuelle, mit dem Buddhismus in Berührung. Auch die einsetzenden philologischen Studien der Indologie und erste Übersetzungen von buddhistischen Texten in die deutsche Sprache sorgten für einen zunehmenden Bekanntheitsgrad. Pointiert gesagt, „entdeckten“ Orientalisten im 19. Jahrhundert den Buddhismus als verschriftlichten Gegenstand, als in Texten aufzufindende Religion.

Die ersten bekennenden Buddhisten in Deutschland dürften Paul Carus (1852-1919) und Dr. Karl Eugen Neumann (1865-1915) gewesen sein. Beide waren über Schopenhauer und erste allgemeine Buddhismus-Darstellungen in den frühen 1880er Jahren zur buddhistischen Lehre gekommen. Über das Textstudium waren sie zu Buddhisten geworden. 1903 gründete dann der Leipziger Privatgelehrte Dr. Karl Seidenstücker (1876-1936) die erste buddhistische Organisation, den Buddhistischen Missionsverein in Deutschland (in Leipzig). Dieser „Missionsverein“ bemühte sich ebenso wie nachfolgende buddhistische Zirkel und Gesellschaften, in Vorträgen, Büchern, Vereinsbroschüren und eigenen Zeitschriften die bürgerlichen, gebildeten Bevölkerungsschichten des deutschen Kaiserreiches für die buddhistische Lehre zu interessieren und zu gewinnen. Kritiker wie der erwähnte Pfarrer Simon bezeichneten den Buddhismus als eine „Aristokratenreligion“, da „die Art seiner Lehre [...] eine hochentwickelte Intelligenz und ein weitgehendes Abstraktionsvermögen voraus[setze]“. In der Tat wies die junge buddhistische Bewegung um die Jahrhundertwende einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad auf.

Das bis dahin vornehmlich akademische und philosophisch-ethische Interesse an der buddhistischen Lehre wandelte sich nach dem ersten Weltkrieg. Zwar weiterhin als Vernunfts- und Erkenntnisreligion gepriesen ging es nun jedoch auch darum, die Lehrinhalte zu leben. Buddhistische Gemeinden, nicht mehr akademisch orientierte Gesellschaften, wurden gegründet. Um den Juristen Georg Grimm (1868- 1945) und den Arzt Dr. Paul Dahlke (1865-1928) bildeten sich eigene Gruppen. Grimms „Altbuddhistische Gemeinde“ verstand sich ausdrücklich als eine „religiöse Gemeinschaft“; zu Vorträgen von Grimm kamen 500, mitunter 1.000 Zuhörer. Paul Dahlke erbaute 1924 das noch heute in Berlin- Frohnau existente Buddhistische Haus. 1926 kamen ein buddhistischer Tempel und Klausen zum religiös-asketischen Rückzug hinzu. Dahlkes Verständnis, den Buddhismus als „Wirklichkeitslehre anzuwenden“, gipfelte für ihn in einer asketischen und quasi monastischen Lebensweise. Das Buddhistische Haus und Dahlke wurden zum Mittelpunkt des deutschen Buddhismus der Nachkriegszeit.

Die Herrschaft des Nationalsozialismus ab 1933 erschwerte und der zweite Weltkrieg erstickte diese sich entfaltenden buddhistischen Bestrebungen. Buddhisten – und die wenigen Buddhistinnen – galten als „Sonderlinge“ und „Pazifisten“; eine Verfolgung blieb, mit Ausnahme der zum Buddhismus konvertierten Juden, aus. Bald nach Ende des Krieges begann die Reaktivierung buddhistischen Lebens. Waren in den buddhistischen Gesellschaften und Gemeinden der ersten Hälfte des Jahrhunderts die eher rational-kühl und am Mönchsideal ausgerichteten Lehren des Pali-Kanons rezipiert worden (sogen. südlicher Buddhismus, Theravada), kamen in den fünfziger Jahren weitere asiatische Traditionen hinzu. Eugen Herrigels Büchlein Zen in der Kunst des Bogenschießens (1948) und Daisetz Suzukis Abhandlungen weckten literarisch ein breites Interesse am Zen- Buddhismus. Der tibetische Buddhismus faßte durch die Gründung des europäischen Zweiges des Ordens „Arya Maitreya Mandala“ (AMM) 1952 in Berlin zum ersten Mal öffentlichkeitswirksam Fuß in Europa. Der AMM geht auf den deutschen Lama Anagarika Govinda (Ernst Lothar Hoffmann, 1898-1985) zurück und ist bestrebt, einen Buddhismus in Angemessenheit an westliche kulturelle Gegebenheiten zu lehren.

Neben der literarischen Rezeption des Zen kamen weitere buddhistische Traditionen aus Japan nach Europa, nach Deutschland: eine shin-buddhistische Gruppe wurde 1956 in Berlin gegründet, die „Buddhistische Gemeinschaft Jôdo Shin-Shû“. Die Sôka Gakkai, in Japan eine moderne buddhistische Massenbewegung (gegr. 1930), kam ab den 1960er Jahren nach Deutschland. Aufgrund weltweiter Kultur- und Handelsbeziehungen lebten mit steigender Zahl japanische Geschäftsleute und Studenten in Ballungsgebieten der Bundesrepublik, so im Frankfurter und im Düsseldorfer Raum.

Ab Mitte der sechziger Jahren setzte eine inhaltliche Schwerpunktverschiebung ein. Nicht mehr die zuvor vorherrschende denkerische Rezeption bestimmte den Zugang zum Buddhismus, sondern die meditative Praxis. Antibürgerliche, alternativkulturelle Kreise, Künstler, Studenten, Indienreisende entdeckten auf ihrer Suche nach östlicher Weisheit neue, andere asiatische Formen des Buddhismus. Hermann Hesses Siddhartha (1922) popularisierte in literarischer Form indische Philosophie und Religiosität. Zen-Seminare, sogenannte Sesshins, waren ebenso wie Meditationskurse aus der Theravada- Tradition oft schon frühzeitig ausgebucht. Ab den 1980er Jahren ist ein Boom des tibetischen Buddhismus zu registrieren. Auslöser des raschen Aufschwungs waren Besuchsreisen ranghoher tibetischer Würdenträger, die diese auf Einladung ihrer ersten westlichen Schüler ab Mitte der 1970er Jahre durch Nordamerika und Europa unternommen hatten. Tibetisch-buddhistische Zentren „schossen jetzt an vielen Stellen der westlichen Welt (...) aus dem Boden“, wie der Chronist der deutsch-buddhistischen Bewegung, Hellmuth Hecker, 1985 konstatierte. Das große Interesse an buddhistischen Inhalten und Meditationsformen schlug sich in der Gründung einer Vielzahl von Kreisen, Ortsgruppen und Zentren nieder. Bis in die frühen 1970er Jahre hinein hatte es etwa 15 buddhistische Gemeinden und Ortsgruppen in der Bundesrepublik gegeben. 1975 hatte sich die Zahl buddhistischer Gruppen schon mehr als verdoppelt. Es fällt ein Zuwachs von zen-buddhistischen Gruppen und von Meditationskreisen auf. Sie stellen 1975 knapp die Hälfte aller Gruppen. Dennoch nahm sich die Zahl buddhistischer Kreise mit 38 Anlaufstellen (1975) bundesweit noch eher bescheiden aus. Von 1975 bis 1991 hat sich die Anzahl buddhistischer Gemeinschaften und Gruppen verfünffacht. 1991 haben 201 zu verzeichnende Kreise und Zentren bestanden. Tibetisch-buddhistische Gruppen stellen dabei den größten Anteil dar.

Schwerpunkte buddhistischer Aktivitäten sind in Großstädten wie München, Hamburg, Berlin sowie in Stuttgart, Hannover und dem Köln- Bonner Raum zu finden. München mit etwa 20 buddhistischen Gruppen zu Beginn der 1990er Jahre stach als buddhistische Hochburg besonders hervor. Auch in Universitätsstädten wie Marburg oder Münster finden sich mehrere buddhistische Gruppen. Seit einiger Zeit existieren auch in der Provinz und auf dem Lande buddhistische Gruppen, so in Schleswig-Holstein, Oberfranken oder Niederbayern. Die prozentuale Verteilung buddhistischer Traditionen in der Bundesrepublik ist aufschlußreich: 1991 stellten tibetische Buddhisten knapp 40 Prozent der Gesamtmenge an Zentren, gefolgt von Buddhisten, die einer anderen Mahayana-Traditionen folgen (30,3 Prozent Gesamtmenge). Institutionen mit Theravada- oder Pali-Kanon-Orientierung fielen dagegen mit 14 Prozent und traditionsungebundene Gruppen mit 10 Prozent vergleichsweise ab. Die Buddhisten aus asiatischen Ländern bilden institutionell die kleinste Gruppe mit 6,5 Prozent.

Wie sahen nun die Entwicklungen in den 1990er Jahren aus? Nach dem Boom des Zen in den 1970er und dem Boom des tibetischen Buddhismus in den 1980er Jahren setzte in den 1990ern ein allgemein großes, traditionsunspezifisches Interesse am Buddhismus ein. Tom Geist, der damalige Sekretär der Deutschen Buddhistischen Union (DBU), umschrieb es so: „Derzeit sehen wir uns mit einem Phänomen konfrontiert, das von den Medien ‚Buddhismus- Boom‘ getauft wurde. Kaum eines der Massenblätter und Fernsehsender konnte dem Sog widerstehen: Von Focus bis Bravo, von ARD bis RTL glauben alle, einem neuen Trend auf der Spur zu sein. Mit der tatsächlichen Wirklichkeit buddhistischen Lebens hat das alles herzlich wenig zu tun.“ Buddhistische Meditationspraktiken, Ideen und Lebensformen wurden in Medien hochstilisiert, manch Filmstar- und sternchen, Musiker, Künstler oder herausragender Fußballer gab sich als Buddhist oder Buddhistin zu erkennen. Auch bei evangelischen und katholischen Akademien, bei Volkshochschulen und Erwachsenenbildungsstätten tauchten nun vermehrt Tagungen zur Thematik „Buddhismus“ auf. Nochmals jedoch Tom Geist zu diesem allgemeinen Interesse und der Medieneuphorie: „‚Erleuchtung‘, Meditation‘ oder ‚Wiedergeburt‘ hat schon seit jeher einen verheißungsvollen Klang für alle ‚spirituellen Romantiker‘, die hoffen, in diesen Dingen Tricks zu finden, um die mühevolle Kleinarbeit an sich selbst zu umgehen. Dann erfahren sie aber den trockenen, geerdeten Pragmatismus buddhistischer Wirklichkeitssicht und Übung am eigenen Leib und müssen erkennen, daß ihnen niemand die Arbeit an sich selbst abnehmen wird – im Gegenteil! Nach diesem ernüchternden Schock wenden sich viele dann ganz schnell anderen Lehren und Lehrern zu, die ihnen gegen hohe Honorare ‚die Aura streicheln‘ und schnelle ‚Instant- Erleuchtung‘ versprechen – nur noch heißes Wasser drauf und fertig.“ (Lotusblätter, 2, 1994, S. 1).

Das große Interesse führte nicht zuletzt zur Gründung zahlreicher neuer Meditationsgruppen, insbesondere in den Ballungsgebieten. Es ist eine deutliche Zunahme an Meditationsgruppen zu verzeichnen, die sich der im November 1997 verstorbenen Theravada Nonne Ayya Khema anschlossen. Mit ihrem Buddha Haus im Allgäu, dem Münchner Stadtzentrum und dem im Sommer 1997 eingeweihten Waldkloster ‚Metta Vihara‘ (ebenfalls im Allgäu gelegen) ist eine organisatorisch hervorragend arbeitende Basis geschaffen worden, die meditativen Praxisformen des Theravada und seine Lehrinhalte in größerem Umfang zugänglich zu machen. Die Popularität der südlichen Meditationsformen ist auch an der Gründung von Vipassana-Meditationsgruppen abzulesen. Zu Beginn der 1990er Jahre in der Bundesrepublik organisatorisch noch nicht vertreten, bestanden Anfang 1997 13 verzeichnete Kreise und Gruppen. In diesem Zusammenhang ist die Gründung der ‚Vipassana- Vereinigung Deutschland‘ 1992 wichtig, der viele der Meditationsgruppen angeschlossenen sind. Ihre Aufgabe sieht die Vereinigung in der Unterweisung der Meditation in der Tradition von Sayagyi U Ba Khin und dessen Schüler Satya Narayan Goenka.

Einen Aufschwung nahm das ‚Zen- Institut Deutschland‘ unter der spirituellen Leitung von Gesshin Myoko Prabhasadharma Rôshi (Rinazi). 1993 erst gegründet, bestanden Anfang 1997 schon 22 Ortsgruppen. Auch um den vietnamesischen Meditationslehrer, Dichter und Friedensaktivisten Thich Nhat Hanh bildeten sich regionale Gruppen. Der Zuwachs an Gruppen und Zentren im Bereich des tibetischen Buddhismus setzte sich wie in den 1980er Jahren fort. Weiterhin zahlenbezogen am stärksten vertreten sind Gruppen und Zentren der in Tibet kleinsten Tradition, der Kagyüpa, und hier insbesondere der Karma-Kagyüpa. Der Karma-Kagyüpa-Dachverband um Ole Nydahl steigerte die Anzahl seiner Gruppen und Zentren von 34 (1991) auf 50 (1997) in der Bundesrepublik. Eine deutliche Ausweitung an Aktivitäten kann auch in der Traditionslinie der Gelugpa beobachtet werden. Neben dem personell und organisatorisch starken Tibetischen Zentrum Hamburg, seit August 1996 mit einem angegliederten Meditationshaus in Schneverdingen, etablierte sich das Chödzong Zentrum in Langenfeld als Standbein der Gelugpa-Tradition in Deutschland. Um dessen spirituellen Leiter Dagyab Rinpoche bildeten sich 12 Ortsgruppen, die von Dagyab Rinpoche oder seinen Schülern betreut werden. Eine dieser Gruppen, der Chöling Hannover, trifft sich regelmäßig in der vietnamesischen Pagode; Geshe Gendün Yonten lebt seit Juli 1996 dort. Die Pagode hat sich nicht nur dadurch, sondern auch durch regelmäßige Zenund Theravada-Seminare zu einem Ort buddhistischer Begegnung und Ökumene entwickelt. Neben der Ausweitung solch bestehender Initiativen kam es auch zur Neugründung und Reaktivierung buddhistischer Aktivitäten: Die Sakyapa-Tradition ist durch zwei Gruppen präsent. Die Neue Kadampa- Schule um den nicht unumstrittenen tibetischen Gelug-Lehrer Geshe Kelsang Gyatso faßte mit vier Gruppen und Zentren von Großbritannien aus Fuß in der Bundesrepublik. 38 Gruppen und Zentren wurden in Großbritannien nach dem Bruch mit der Gelug-Haupttradition seit den frühen 1990er Jahren ins Leben gerufen. Bei den traditionsungebundenen Gruppen war ebenso ein quantitatives Wachstum festzuhalten. Insbesondere kamen Gruppen hinzu, die sich von buddhistischer Sichtweise aus mit bestimmten Themen, etwa dem Sterben (Hospizbewegung) oder der Kunst, befaßten. Die „Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens“, 1967 in England von Sangharakshita gegründet und seit 1988 mit einem Zentrum in Essen institutionell vertreten, konnten ihre Aktivitäten ausweiten. Bemerkenswert ist schließlich die Gründung der Buddhistischen Union Freiburg (1995), der 1995 16 Gruppen und Institutionen im Raume Freiburg angeschlossen waren.

Auf der Grundlage des Verzeichnisses „Buddhistischer Gruppen in Deutschland“, von der DBU im Januar 1997 zusammengestellt, sowie eigener Ergänzungen von nicht aufgeführten Meditations- und Ortsgruppen lassen sich 413 Gruppen und Zentren identifizieren. Ebenso wie in der Bundesrepublik, wo sich damit die Zahl buddhistischer Kreise, Gruppen und Institutionen innerhalb von zwei Jahrzehnten von 40 auf über 400 Gruppen verzehnfachte, ist auch in anderen europäischen Ländern ein reger Zuwachs an buddhistischen Gruppen und Zentren festzuhalten. Für Großbritannien läßt sich dieser Trend anschaulich belegen. Hier verfünffachte sich die Zahl der Zentren von 74 (1979) auf etwa 340 (1997).

Die Zahl der Gruppen und Zentren läßt jedoch keinen direkten Rückschluß auf die absoluten Zahlen praktizierender Buddhisten zu. Die Unterschiedlichkeit der Größe und des Institutionalisierungsgrades und damit die Problematik der Vergleichbarkeit muß in Rechnung gestellt werden. Es gibt regionale Kreise von 10-15 Personen, oft Studien- oder Meditationsgruppen, die sich etwa zweiwöchentlich in Privaträumen treffen. Dann gibt es städtische Ortsgruppen von circa 20-50 Personen, die eigene Räume angemietet haben und sich wöchentlich oder öfters treffen. Als dritter Größentyp zu nennen sind buddhistische Zentren, die im Besitz der Gruppe sind und meistens um die 80 bis 100 Mitglieder umfaßen. Überregional bekannte oder aktive Zentren und Organisationen wie das „Buddha-Haus“, die Buddhistische Gesellschaft Hamburg, das Tibetische Zentrum Hamburg, die Sôka Gakkai, das Kamalashila Institut oder der Karma-Kagyü-Dachverband umfassen mehrere hundert, mitunter einige tausend Mitglieder mit großen Häusern und vielen Angeboten. Die größten buddhistischen Organisationen in der Bundesrepublik dürften neben den letztgenannten 1998 die „Zen-Vereinigung in Deutschland“ mit etwa 600 Mitgliedern und 25 Regionalgruppen und Dojos sowie die „Internationale Zen Vereinigung“ (Zweig der AZI) mit ca. 1500 und ebenso vielen Gruppen und Dojos sein (beide Soto-Zen in der Linie nach Deshimaru Roshi). Der Soka Gakkai fühlen sich etwa 2100 Mitglieder zugehörig, die in 7 Regionalstellen und ca. 300 Ortsgruppen organisiert sind. Stark vertreten sind ebenso tibetischbuddhistische Gruppierungen, so der Verein „Rigpa“ um Sogyal Rinpoche, „Shambala“ mit 10 sowie Nyingmapa mit 20 Ortsgruppen (1998). Der Karma- Kagyü-Dachverband rechnet sich ca. 5000 Mitglieder und Interessenten mit 53 Gruppen und Zentren zu. Viele der tibetische-buddhistischen Gruppen sind auch im Internet vertreten und informieren so über ihr Angebot.

Aktuelle Schätzungen gehen von etwa 40.000 deutschen Buddhisten aus. Hinzu kommt eine etwa dreimal so große Anzahl asiatischer Buddhisten (ca. 110-120.000). Am größten ist die Gruppe vietnamesischer Buddhisten, die ab Mitte der 1970er Jahre als ‚boat people‘ aus ihrem Heimatland flohen. Zudem leben in der Bundesrepublik Flüchtlinge aus Kambodscha, Laos und Burma, etwa 25.000 Thailänder sowie japanische und koreanische Geschäftsleute. Die asiatischen Buddhisten sind jedoch überwiegend unter sich geblieben und haben gewissermaßen ethnisch-kulturelle Enklaven gebildet. Es bestanden und bestehen nur wenige Kontakte zu den zahlenmäßig weit weniger deutschen Buddhistenbrüdern und -schwestern. Buddhismus wird von den Immigranten und Flüchtlingen vorwiegend zur Aufrechterhaltung der kulturell-nationalen Identität gepflegt.

Wie kamen und kommen Interessenten in Kontakt mit dem Buddhismus? Es lassen sich drei Hauptstränge herauskristallisieren.

Literarische Begegnung: Die ersten bekennenden deutschen Buddhisten waren über Bücher auf den Buddhismus gestoßen. Schopenhauers philosophische Schriften und Neumanns Übersetzungen aus dem Pali-Kanon bildeten für viele Buddhisten der ersten Stunde die Initialzündung. In den 1920er Jahren waren es dann Paul Dahlkes und Georg Grimms Schriften, ab den 1960er Jahren Lama Govindas Reisebeschreibungen sowie Bücher von japanischen Zen-Meistern und tibetischen Lamas, die manch religiösen Sucher zur buddhistischen Lehre führten.

Personale Begegnung: Das Zusammenleben bzw. die Begegnung mit Personen, die die buddhistische Lehre lebten, bildete für andere den Beginn der Auseinandersetzung mit dem Buddhismus. Mitunter war es der Bruder, der Vater oder der Ehemann, der Buddhist geworden war und den Verwandten in die Lehre einführte. Für die 1920er Jahren findet sich vergleichsweise häufig der Hinweis auf die beeindruckende Begegnung mit Paul Dahlke, ebenso auf Georg Grimm und Martin Steinke (1882-1966). In den 1950er Jahren war es Paul Debes (geb. 1906), der rege buddhistische Kreise in Norddeutschland ins Leben rief. Und ab den 1970er Jahren wurde dann für viele spätere Buddhisten die direkte Begegnung mit japanischen Zen-Meistern und tibetischen Lamas lebensverändernd.

Regionale Begegnung: Schließlich stießen einige, die später Buddhisten wurden, während ihrer Reisen in asiatischen Ländern auf den Buddhismus. Schon für die Zeit der Jahrhundertwende ist diese Begegnung belegt. Ab den 1960er Jahren führte dann die Indien- und Asienbegeisterung viele junge spirituell Suchende an die Hänge des Himalaya oder in südasiatische Klöster.

Welches waren die Motive der Konversion? Zunächst zur Frühphase: Um die Zeit der Jahrhundertwende wurde die Aufnahme des Buddhismus durch ein intellektuelles und ethisches Interesse an der Lehre des südlichen Buddhismus, des Theravada, bestimmt. Die frühen Buddhisten hoben die rational- kognitiven Inhalte der Lehre hervor. Buddhismus wurde als „Religion der Vernunft“ (Grimm) gepriesen; eine Religion, die allein auf Einsicht und Erkenntnis beruhe und in Übereinstimmung mit den modernen Naturwissenschaften bestehe. Die Lehre von karma und „abhängigem Entstehen“ (Sanskrit: pratïtya-samutpada), welches eine kausale Ursache-Wirkungs- Erklärung liefere, werde durch neueste Erkenntnisse in der Biologie und Physik bestätigt. Der Buddhismus sei gewissermaßen die adäquate und kongeniale Religion der modernen Zeit: „In ihm [ist] eine Versöhnung zwischen Wissenschaft, Philosophie und Religion nicht nur möglich, sondern tatsächlich vorhanden“, so Karl Seidenstücker 1911.

Frühe Buddhisten priesen im Buddhismus besonders diejenigen Vorzüge, die sie als das Gegenteil der abgelegten Religion ansahen. Überwiegend hatten diese frühen Buddhisten mit dem Christentum gebrochen; vergessen werden sollte jedoch nicht, daß ein für die Bevölkerungsrelation bemerkenswert hoher Anteil früher Buddhisten ehemalige Juden waren. Die Buddhisten betonten in den Darstellungen der buddhistischen Lehre das Wissen, das auf eigener Erfahrung beruht. Dem christlichen Glauben und Dogma stellten sie die Möglichkeit der empirischen Überprüfbarkeit der buddhistischen Lehre gegenüber. Der Buddhismus sei eine „wissenschaftliche“, eine „Erkenntnis-Religion“ (Seidenstücker). „Komm und sieh selbst“ (Pali: ehipassiko) war und ist der Leitspruch dieser an Erkenntnis orientierten Buddhisten. Die Darstellung des Buddhismus als Vernunftreligion ermöglichte eine deutliche Distanzierung vom dogmatisch empfundenen Christentum und eine Orientierung an aufklärerischen Werten wie Vernunft und Selbstverantwortung. Das Buddhismus-Bild um die Jahrhundertwende entwickelte sich in starker Auseinandersetzung mit dem als überkommen interpretierten Christentum.

Neben diesen intellektuellen Motiven finden sich zwei weitere Konversionsstränge. Einige der frühen Buddhisten kamen von einem esoterischspiritistischen Hintergrund her. Sie waren über die Theosophische Gesellschaft, mitunter auch über okkulte, pantheistische oder spiritistische Zirkel zum Buddhismus gekommen. Hier standen mystische Elemente und kosmologische Daseins- und Entwicklungsinterpretationen des nördlichen, des Mahayana-Buddhismus, im Vordergrund. Der dritte Strang kann mit ‚Buddhisten der Neo-Romantik‘ beschrieben werden. Diese Buddhisten teilten die kultur-kritische Haltung der Romantik, oft gepaart mit lebensreformerischen Aspekten. Mancher erhoffte, durch den Buddhismus eine Regeneration europäischer Werte bewirken zu können. Mit Hilfe des Buddhismus, der als älteste und weiseste Religion der Menschheit dargestellt wurde, würde die europäische Kultur aus dem Dunkel des Fin-de-Siècle heraustreten und ihre alte Größe und Herrlichkeit wiedererlangen.

Wie sieht die Situation in der Gegenwart aus? Wie in der Frühzeit entstammen Buddhisten in den überwiegenden Fällen den verschiedenen Kreisen der Mittelschichten, seien es kaufmännische Berufe, Angestellte, Lehrer, Ärzte, Journalisten oder Künstler. Buddhisten verfügen in den meisten Fällen über eine überdurchschnittlich hohe Bildung. Die überwiegende Anzahl von ihnen ist in sozial-helfenden, pädagogischen und kaufmännischen Berufen tätig, ihre ökonomische Situation kann als gesichert und etabliert, wenn auch nicht vermögend, charakterisiert werden. In den 1960er Jahren setzte ein nachhaltiger Wertewandel in westlichen, industrialisierten Gesellschaften ein. In der Bundesrepublik nahmen von 1965-69 die Kirchenaustritte rapide zu. Der Wertewandel schlug sich in einer Abnahme von kirchlicher Bindung und von beruflicher Arbeitsidentifikation nieder. Der Rückgang der Akzeptanz traditioneller Werte (Kirchlichkeit, Berufsethos) fiel mit einer steigenden Bewertung von Mitbestimmung und Teilhabe zusammen. Die Zeit der ausgehenden 1960er Jahre war außer durch die alternativ-kulturellen Protestbewegungen auch durch eine Begeisterung für östliche Religionen gekennzeichnet. Buddhismus war nun nicht mehr nur für das weltanschaulich interessierte Bildungsbürgertum eine Alternative zum Christentum. Auch jüngere Angehörige der modernen Bildungsschichten, der Personenkreis, der überwiegend den Wertewandel trug, beteiligten sich zunehmend an buddhistischen Seminaren und Kursen.

Die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse bewirkten zugleich eine Offenheit für neue Formen von Religiosität. Insbesondere in der Nachkriegsgeneration wurde ein Traditionsabbruch im Hinblick auf kirchliche Bindungen konstatiert. Während dieser einschneidenden Krise christlichkirchlicher Institutionen ist zu beobachten, daß in zunehmendem Maße japanische Rôshis, südasiatische Bhikkhus und tibetische Lamas in den Westen reisten. Zugleich brachen junge Europäer und Amerikaner auf, um bei Lehrern in Asien buddhistische Unterweisungen zu erhalten. Insbesondere die asiatischen Lehrer scheinen bei den westlichen Rezipienten als vertrauenswürdige und authentische religiöse Autoritäten angesehen zu sein. Im Gegensatz zu christlichen Priestern und Pastoren würden diese Lehrer eine reine, ursprüngliche Spiritualität verkörpern und sie glaubhaft leben.

Insbesondere die tibetischen Lamas, die in den 1960er Jahren mit 100.000 Tibetern Zuflucht in Indien gefunden hatten, wurden zusehends aufgesucht und um Belehrung gebeten. In der westlichen Vorstellungswelt bildeten das Land und die Kultur Tibets seit langem den herausragenden Ort romantischer Sehnsucht und spiritueller Erneuerungshoffnungen. Die Entlegenheit Tibets, so Madame Blavatsky, Alexandra David-Néel oder Lama Govinda, habe noch die authentische und unverfälschte Religion bewahrt. Die Weite und Unberührtheit der Landschaft, die Klarheit der Luft und die Erhabenheit der Himalayagipfel wurde metaphorisch auf den Buddhismus Tibets als tiefgründig, ursprünglich und archaisch übertragen. Mit der Möglichkeit der direkten Begegnung von Lamas, Rinpoches und Tulkus meinten viele, einen Zugang zu verloren geglaubten, reinen religiös-spirituellen Formen und Lehren gefunden zu haben.

Von einem etwas distanzierten Blickpunkt aus betrachtet verwundert mitunter, warum gerade die anti-autoritären, anarchistisch und feministisch inspirierten Mitglieder der Protestbewegungen so fasziniert waren und sind von einer Religion, deren Charakteristika hierarchische Strukturierung, monastische Klosterkultur und Gehorsam dem Lehrer gegenüber sind. Ein Hauptgrund für die Attraktivität und den Aufschwung in westlichen Ländern dürfte in dem ruhigen, humorvollen und bescheidenen Auftreten seiner Vertreter liegen. Befragt man westliche Vajrayana-Buddhisten nach den Gründen ihren Konversion, so taucht als stets wiederkehrendes Motiv die direkte Begegnung mit dem Lama auf. Die Lamas werden als inspirierend, einfühlsam und von hoher „Ausstrahlung“ beschrieben. Der 14. Dalai Lama dürfte hier als herausragender Sympathieträger den Nimbus noch nachhaltig verstärken. Die Verehrung, mitunter Verherrlichung der Lamas und allem Tibetischen gründet in vielen Fällen auf dem Anspruch und Ziel, die als spirituell verarmt wahrgenommene Gesellschaft religiös wieder zum Leben zu erwecken. Die kalte, rationale, im wahrsten Sinne „entzauberte“ Welt (M. Weber), solle durch eine Wiederverzauberung verbessert, wenn nicht gar gerettet werden.

Als weitere Gründe der Attraktivität des Buddhismus wird auf die hohe Plausibilität der buddhistischen Lehre, die Überprüfbarkeit ihrer Aussagen und die Übereinstimmung mit den neuesten Erkenntnissen etwa der Quantenphysik verwiesen. Westliche Buddhisten heben die Dogmenlosigkeit und radikale Selbstverantwortung ebenso wie die buddhistische Friedfertigkeit und Toleranz hervor. Anders als Christentum oder Islam missioniere der Buddhismus nicht, seine Ethik gründe auf Freiheit und Eigenbestimmung.

Der Buddhismus in der Bundesrepublik hat im Laufe der 1980er Jahre ein plurales und äußert vielgestaltiges Bild angenommen. Diese Vielfalt erschwert jedoch, allgemeingültige Aussagen über „den“ Buddhismus zu treffen oder bestimmte Schulen gesondert herauszugreifen. Es gibt keine einzelne Schule oder Tradition, die „den“ Buddhismus in Deutschland repräsentiert. Neben den aus Asien stammenden Traditionen haben sich mittlerweile eine Vielzahl von eigenen, mitunter explizit westlichen Schulen, Subtraditionen und unabhängigen Zentren gebildet. Die Zahl der buddhistischer Mitglieder und Sympathisanten ist prozentual zur Bevölkerung verschwindend gering, das Interesse jedoch überproportional groß. Das weite Interesse an Inhalten und mehr noch an Meditations- und Ritualformen buddhistischer Traditionen wird durch das Vermögen des Buddhismus gefördert, gänzlich unterschiedliche Interessengruppen und ihre religiösen Motive anzusprechen. Dieses hat sicherlich zum Aufschwung des Buddhismus beigetragen. Entscheidend dürfte aber auch die Anwesenheit asiatischer und euro-amerikanischer Lehrer, Mönche und Nonnen in Deutschland (und allgemein in Europa) und die praktische Umsetzung der buddhistischen Lehre in das alltägliche Leben sein.

Für nicht wenige ist der Buddhismus mittlerweile eine gangbare Alternative zum Christentum geworden. Die gesellschaftlichen Änderungsprozesse der ausgehenden 1960er Jahre brachten eine Offenheit und damit auch in gewissem Maße eine Akzeptanz hervor, andere, nicht-christliche Formen von Religiosität zu praktizieren. Es ist in den 1990er Jahren bei weitem nicht mehr so befremdend und exotisch, Nicht-Christ und etwa Buddhist zu sein, als es dieses noch in den 1950er Jahren war. Obwohl von den absoluten Zahlen her bislang eher marginal, hat der Buddhismus in der Bundesrepublik eine organisatorisch fest etablierte Basis, sowohl in Form der DBU als auch in der Zahl großer Zentren, Häuser und Organisationen. Nun gehe es, wie vielfach von Buddhistinnen und Buddhisten zu hören und lesen ist, um ein Anpassen und Einheimischwerden der buddhistischen Lehre in und an den Westen. Wofür der Buddhismus in China oder Japan Jahrhunderte brauchte, will man hier – und darauf verweisen auch deutlich die ersten 100 Jahre Buddhismus in Deutschland – wesentlich schneller schaffen.