Der Theravada-Buddhismus in Thailand.

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Die aufgezeichnete Geschichte von Thailand beginnt mit der Etablierung der Mon-Zivilisation im 5. Jh. n. Chr. Die Mon waren mit den Khmer verwandt und beide Völker sollen um 850 v. Chr. aus südchinesischem Gebiet nach Südostasien gezogen sein. Die Mon haben den Theravada-Buddhismus bis zum 6. Jh. angenommen, aber archäologische Funde besagen, dass neben dem Theravada auch der Mahayana und der Hinduismus vertreten waren.

Die Entwicklung des Buddhismus in Thailand wurde dann vom Reich der Khmer aus Angkor (802-1432) in Kambodscha beeinflusst. Am Hof von Sukhotai existierte lange der Mahayana-Buddhismus neben dem Hinduismus.

Erst im 13. Jh. gründeten die Thais (früher: Siamesen) einen eigenen Staat, nachdem das Gebiet lange unter kambodschanischer Herrschaft gestanden hatte. Das Thai-Königreich von Sukhotai befreite sich um 1260 von der Khmer-Herrschaft. König Rama Khamheng (ca. 1270-1317) erhob den Theravada-Buddhismus im Jahre 1280 in seinem Königreich zur Staatsreligion. In einer Inschrift aus dem Jahre 1292 teilte er mit, dass er und die Fürsten ohne Rangunterschiede die Lehre Buddhas befolgen und am Ende der Regenzeit die Kathina-Zeremonie, d.h. die Übergabe der Roben an die Mönche, stattfand. Der König verstand sich als Dhamma Raja und fühlte sich den vom Buddha gelehrten "zehn Regeln für Könige" verpflichtet.

Sein Enkel Thammaraja Lü Thai (König von 1347-1361) lud Mönche aus Ceylon ein, die für ihre Gelehrsamkeit und Strenge berühmt waren. Sie reformierten den Thai-Sangha, verbreiteten die Kenntnis der sakralen und der weltlichen Pali-Literatur nnd führten in Sukhotai eine klösterliche Organisation nach singhalesischem Muster ein. Der König dankte schließlich ab, um selbst Mönch zu werden.

Das Königreich von Ayutthaya, das von 1350 bis 1767 bestand, übernahm das Erbe von Sukhotai. König Songdharm (1610-1628) bemühte sich um die Angelegenheiten des Sangha. Er ließ, um die unverfälschte Überlieferung des Kanons zu bewahren, eine königliche Ausgabe des Tipitaka erstellen; auch ließ er bei Saraburi einen Tempel für die Fußabdrücke des Buddha erbauen, den noch heute viele Pilger besuchen.

In den Jahren 1475-1477 fand in Chiang Mai das 8. buddhistische Konzil nach Thai-Zählung statt. Damals wurde der Dreikorb (Tipitaka) von Fehlern befreit und in Lanna-Schrift auf Palmblätter niedergeschrieben.

Während der Regierungszeit des Maha Dhammaraja II. (1733-1758) erlebte die buddhistische Kultur in Ayutthaya eine große Blütezeit, so dass ihr Ruhm bis nach Ceylon gelangte. Um 1750 schickte der singhalesische König Kirti Sri drei Gesandschaften nach Ayutthaya, um siamesische Mönche nach Ceylon einzuladen, die dort die Ordinationstradition erneuern sollten. Erst die dritte Mission war erfolgreich; sie wurde vom König empfangen, und er sandte Mönche unter Leitung von Phra Upali nach Ceylon. Diese blieben dort drei Jahre und ordinierten im Jahre 1753 ceylonesische Mönche, die den Kern der als Siam-Nikaya bekannten Richtung bildet.

Im Jahre 1767 wurden Stadt und Königreich Ayutthaya von birmanischen Eroberern zerstört, doch konnte Taksin (1767-1782) die Unabhängigkeit Thailands wieder herstellen. Taksin wiederum wurde durch Rama I. (1782-1809), entthront. Der begründete die Chakri-Cynastie, die bis heute in Thailand herrscht. In seinem ersten Regierungsjahr bezahlte er aus seiner Privatkasse die Abschrift eines vollständigen Tipitaka. Da sich bald herausstellte, dass diese Exemplar voller Fehler war, berief er 1788 ein Konzil ein, das neunte nach Thai-Zählung. 250 Teilnehmer saßen für fünf Monate zusammen, rezitierten die Texte und berichtigten sie. Diese Ausgabe hieß "Konzilsedition". Eine Abschrift davon bestand aus 354 handschriftlichen Bänden. Sie sind heute noch im Wat Phra Keo-Tempel erhalten.

Die Hauptstadt Thailands wurde zu dieser Zeit auf die andere Seite des Flusses nach Bangkok verlegt. Der bedeutendste Erneuerer des Thai-Buddhismus war König Rama IV. (1851-1868). Bevor er den Thron bestieg, hatte er 27 Jahre lang als buddhistischer Mönch (Bhikkhu) gelebt. Noch als Mönch gründete er den Dhammayuttika-Nikaya, eine Reformgruppe innerhalb des Sangha, die eine strengere Ordenszucht befolgte. Er hat sich sehr um die Mönchsdisziplin gekümmert, den Pali-Kanon nochmals revidiert und nicht-buddhistische (magische) Praktiken zurückgedrängt. Sein Sohn Rama V. (1868-1910) kümmerte sich um eine höhere Bildung der Mönche und richtete Institute ein, die schließlich zu buddhitischen Universitäten wurden. Umgekehrt wurden die Klöster in die Pflicht genommen, Bildung auf dem Lande zu verbreiten. Diese Reformen sind ein Rückgrat für den Buddhismus in den schnellen wirtschaftlichen Modernisierungsprozessen, die weite Schichten der Bevölkerung entwurzelt haben.

Thailand kennt als einziges Land das Prinzip einer zeitweiligen Ordination, wodurch immer noch sehr viele Thai-Männer zumindest für einige Wochen als Mönche im Kloster leben.

Thailand wurde nie von einer westlichen Kolonialmacht regiert und steht daher in einer ungebrochenen Königstradition. In den politischen Wirren der Vergangenheit stellte das Königtum einen stabilen Identitätsfaktor für die Nation dar. Da die Staatsreligion der Theravada-Buddhismus ist, und zwar als einziges Land in der Welt, ist der König praktisch Herr über Staat und Sangha. Diese Neudefinition des Buddhismus und des Königtums hatte es so noch nie gegeben und der Sangha war und ist bis heute königstreu.

Dem Betrachter bietet sich heute ein überaus vielfältiges Bild, zumal die Administration des Sangha sich in Fragen der Interpretation der Lehre nicht einmischt, solange die Formen des religiösen Lebens gewahrt werden. Das Verhältnis zwischen Mönchen und Laien und die ihnen zufallenden Aufgaben im religiösen Bereich sind ganz ähnlich wie in Burma. Manchen Mönchen wird in Thailand die Macht zugeschrieben, anderen zu Glück und Gesundheit zu verhelfen und Gegenstände wie etwa Buddha-Amulette zu weihen. Oft fertigen sie Bilder von sich selbst sowie Amulette an und verteilen sie. Der Verkauf von Amuletten, auf denen berühmte Mönche abgebildet sind, ist eine wesentliche Einkommensquelle vieler Klöster. Eine Reihe von modernen Mönchen hält es für ihre Pflicht, den Laien auch als Lehrer und moralischer Führer zu dienen.

Immer wieder gibt es sehr ernsthaft studierende buddhistische Mönche in Thailand, die berühmt werden. Lesen wir beispielhaft nachfolgend einen gekürzten Bericht des Amerikaners Jack Kornfield über seinen buddhistischen Lehrer Ajan Chah:

Der ehrw. Ajahn Chah wurde 1918 in einem kleinen Dorf im Nordosten Thailands geboren. Mit 20 Jahren entschied er sich, das Klosterleben aufzunehmen und erhielt 1939 Upasampada (die Aufnahme als Bhikkhu).

Sein frühes Mönchsleben erfolgte nach traditionellem Muster: Studium der buddhistischen Lehren und des Pali, der Sprache der Schriften. In seinem fünften Mönchsjahr erkrankte sein Vater ernsthaft und starb - eine harte Mahnung an die Zerbrechlichkeit und Unsicherheit des menschlichen Lebens. Dies veranlasste ihn, über den wahren Zweck des Lebens tief nachzudenken. Er gab 1946 das Studieren auf, um die Lehre des Buddha als wandernder Bettelmönch in die Praxis umzusetzen. Er wanderte ungefähr 400 km nach Zentral-Thailand, sammelte Almosenspeise in den Dörfern und schlief in den Wäldern. Schließlich fand er in Ajahn Mun Bhuridatto einen wirklichen Lehrer. Nach dessen Lehren übte er sich die nächsten sieben Jahre im Stil der strengen Waldtradition und zog durch ländliche Gegenden, um an stillen, abgelegenen Plätzen Meditation zu üben. Er lebte in den Wäldern, wo es reichlich wilde Tiere, Kobras und Tiger gab. Nach etlichen Jahren kam er auf Einladung 1954 wieder zu seinem Heimatdorf zurück.

Er ließ sich dor in der Nähe in einem Wald, Pah Pong genannt, nieder. Trotz Malaria, der armseligen Unterkunft und der kargen Nahrung sammelten sich immer mehr Schüler um ihn. Das inzwischen als Wat Pah Pong bekannte Kloster entstand dort.

1967 kam ein amerikanischer Mönch nach Wat Pah Pong, Sumedho Bhikkhu. Ajahn Chah nahm den neuen Schüler gerne an, doch er bestand darauf, dass für diesen keine Sonderregeln galten, nur weil er aus dem Westen kam. Er musste dieselbe einfache Almosenspeise essen und auf dieselbe Art praktizieren wie jeder andere Mönch in Wat Pah Pong. Das Training war streng und entbehrungsreich.

Im Laufe der Zeit kamen weitere Leute aus dem Westen und es wurde Wat Pah Nanachat ("Internationales Waldkloster") gegründet. Der ehrw. Sumedho wurde so Abt des ersten Klosters in Thailand, das von und für englischsprechende Mönche gegründet wurde.

1977 wurde Ajahn Chah zu einem Besuch nach England eingeladen. Danach blieben westliche Schüler von ihm in London, wo sie in der Folgezeit in Hampstead in einer Wohnung lebten, die ihnen als Vihara zur Verfügung gestellt wurde. Später entstanden weitere Zentren.

Die Gesundheit Ajahn Chas verschlechterte sich und 1981 wurde er für ein Operation nach Bangkok gebracht, die allerdings kaum zu einer Verbesserung seines Zustandes beitrug. Innerhalb weniger Monate hörte er auf zu sprechen und verlor allmählich die Kontrolle über seine Glieder, bis er praktisch gelähmt und ans Bett gebunden war. Seither wurde er mit Liebe und Sorgfalt von hingebungsvollen Schülern gepflegt, die dankbar die Aufgabe auf sich nahmen, ihren Lehrer, der geduldig und mitleidsvoll so vielen den Weg gezeigt hat, bis zu seinem Hinscheiden zu versorgen. Ajahn Chah starb in den frühen Morgenstunden am 16. Januar 1992 in seinem Hauptkloster."

Zur Verbrennung seines Leichnahms im Januar 1993 hatten sich rd. 500.000 Menschen in Bangkok eingefunden. Die Kremation fand in einem neu gebauten Stupa von 32 Metern Höhe statt. Innerhalb eines Jahres war dieser Stupa von Mönchen des Klosters Wat Pah Pong gebaut worden. Gegenüber dem Krematorium war ein Schrein mit einem lebensgroßen Prtrait von Ajahn Chah, seiner Patta (Bettelschale) und seiner Robe gebaut worden. König Bhumipol Adulyadej und Königin Sirikit kamen auch zu dieser Feierlichkeit.

Der Theravada-Buddhismus ist in Thailand, wie man an solchen Begebenheiten sieht, nach wie vor fest verankert.

 

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