Daibutsu (Großer Buddha) von Kamakura.

 

Der Zen-Buddhismus in Japan.

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Der Zen-Buddhismus breitete sich von China her über Ostasien aus. In Japan erlebte er eine ähnliche Blüte wie im Mutterland China. Die Rezeption des Zen (chin. Ch'an) im Inselland war ein spannendes Ereignis. Die wohlproportionierte Verbreitung im verhältnismäßig kleinen Raum und die Durchdringung des japanischen Geisteslebens ist geschichtlich bedeutsam.

Die japanische Chronik berichtet über den Beginn des Buddhismus davon, dass der König eines koreanischen Teilstaates eine Buddha-Statue und buddhististische Texte an den Hof des Tenno in Japan sandte. Das war im Jahre 552 n. Chr.

In der Folgezeit fasste der Buddhismus immer fester Wurzeln. Ein "Asoka" erstand den japanischen Buddhisten in dem Prinzen Shotoku Taishi (572-621), die erste große Persönlichkeit der japanischen Geschichte und der eigentliche Schöpfer des Tenno-Staates. Er ergab sich mit ganzer Seele der Lehre Buddhas. Der Buddhismus wurde in jeder Form patronisiert und in Nara, der neuen Reichshauptstadt, wurden viele Buddhatempel errichtet, darunter der älteste, noch heute existierende Horyu-ji Tempel (aus dem Jahre 607 n. Chr).

Die erste sichere Nachricht über Zen in Japan reicht in die Frühzeit. Der hervorragende japanische Buddha-Mönch Dosho (598-670) wurde bei seiner Chinareise (653) durch seinen chinesischen Lehrer, den berühmten Indienpilger Hsüan-tsang (siehe im Kapitel über Indien), bei dem er die Philosophie des Yogacara, die Kernlehre der durch ihn nach Japan verpflanzten Hosso-Schule studierte, auf das Zen aufmerksam gemacht. Er studierte die Zen-Meditation und nach seiner Rückkehr aus China residierte er im Tempelkloster Gango-ji in Nara, wo er die erste Zen-Halle auf japanischem Boden errichtete. Während seiner Reisen durchs Land ließ Dosho Brunnen bohren, Fähren einrichten, Brücken bauen. Eine strenge Gestalt von hohem Ansehen, zählte er zu den buddhistischen Mönchen der Frühzeit, die sich um die Zivilisation verdient machten. Er begründete keine Überlieferungslinie im Zen, aber viele lernten bei ihm die Zen-Meditation.

Während der Tempyo-Ära (722-748) kam der erste chinesische Zen-Meister nach Japan, Tao-hsüan (702-760). Er war der sog. Vinaya-Schule zugehörig. Durch ihn wurde die Zen-Meditation bis an Saicho, besser bekannt als Dengyo Daishi (767-822), den Begründer der japanischen Tendai-Schule, weitervermittelt. Ein weiterer Schritt der Vorbereitung für die Einpflanzung des Zen in Japan geschah im folgenden Jahrhundert, als auf die fromme buddhistischen Kaiserin Tachibana Kachiko, die Gemahlin des Saga-Tenno, Mönche aus China einlud und das Tempelkloster Danrin-ji in Kyoto errichtete.

Während der Heian-Zeit (794-1185) herrschten dann allerdings die beiden mächtigen buddhistischen Schulen von Tendai und Shingon, in denen die Meditation hinter philosophischen Spekulationen und überwuchernden magischen Riten zurücktrat.

Die buddhistische Erneuerungsbewegung, die mit dem Beginn der Kamakura-Zeit (1192-1333) einsetzte, begann mit einem beständigem Hinüber und Herüber japanischer und chinesischer Mönche, die das blühende Zen der Sung-Zeit nach Japan brachten. Als Gründer des japanischen Zen ist Eisai (1141-1215) in die Geschichte eingegangen (Rinzai-Schule).

Dogen (1200-1253) überpflanzte die Überlieferungslinie seines chinesischen Zen-Meisters Ju-ching nach Japan. Er lehnte alle Art von Sektenbildung innerhalb des Buddhismus ab und wollte auch von einer Zen-Sekte nichts wissen. Das, was er seine Jünger lehrte, war nach seiner Ansicht nichts anderes als die Erleuchtungslinie. die von Shakyamuni (Siddhatta Gotamo), dem Gründer des Buddhismus, ausging. Später wurde seine Schule als Soto-Schule organisiert.

Dogen ist wahrscheinlich die größte Gestalt des japanischen Buddhismus überhaupt. Keine andere religiöse Persönlichkeit der japanischen Geschichte hat in neuerer Zeit eine ähnlich starke Beachtung und Bewunderung hervorgerufen wir er. Seiner Persönlichkeit eignet ein ungewöhnliches Strahlungsvermögen. In seinen Schriften lebt sein Menschliches fort und werden seine Gedanken neu erfahren.

Er trat als 12jähriger in Kyoto in den geistlichen Stand ein. Dies geschah auf dem Hiei-Berg, dem Zentrum der damals mächtigen Tendai-Schule und einem Mittelpunkt buddhistischer Wissenschaft. Dort widmete er sich mit aller Kraft dem Studium der buddhistischen Schriften, aber das Wissen vermochte ihn nicht zu befriedigen. Er stieß bald auf eine ihm unlösbar scheinende quälende Frage. Er las: "Beide Lehren, die offene und geheime, lehren die ursprüngliche Buddha-Natur aller Lebewesen. Wenn sich dies so verhält, warum müssen wir dann unseren Geist zur Erleuchtung bringen und uns mit asketischen Praktiken befassen?" Es drängte ihn immer mehr dazu, selbst nach China, dem Geburtsland des Zen, zu reisen und einen authentischen lebenden Meister zu finden. Im Jahre 1223 brach er zusammen mit seinem damaligen geistlichen Lehrer Myozen zusammen nach dem Reich der Mitte auf. In China begann er eine Pilgerreise durch viele Klöster und dies kam seinem Interesse an den Generationslinien des Zen zugute. Er konnte die Dokumente der Nachfolge verschiedener Linien einsehen. Diese Dokumente wurden in den Tempeln wie kostbare Schätze gehütet.

1225 begenet er auf dem Tien-tung-Berg zum ersten Mal seinem Meister Ju-ching (jap. Nyojo, 1163-1228). Der Funke des Geistes springt, Dogen hat den authentischen Lehrer gefunden. Ju-ching nimmt den japanischen Novizen herzlichst auf. Dogen erlangt unter seiner Anleitung tiefsten Samadhi (jhana), die sog. "große Erfahrung" und all seine Zweifel lösen sich auf. Er erhält von Ju-ching die Bestätigung der Übertragung, die ihn als 51. Patriarchen des Zen ausweist, von denen der erste, Mahakassapa, einer der großen Jünger des Buddha selbst ist. Nach seiner Rückkehr verfasste er eine erste Schrift, die den Titel "Allgemeine Anempfehlung des Zazen" trägt. Durch seine authentische Persönlichkeit kann er bald eine Jüngerschar um sich versammeln und die Lehren, die ihm Ju-ching vermittelt hat, weiter geben. Er predigt diese immer wieder und fordert seine Jünger zur Meditation (Zazen) darüber auf.

Zu dem gesamten Thema siehe das Buch: "Dogen´s formative years in China" von Kakashi James Kodera.

1243 kann Dogen der Einladung seines treuen Laienjüngers und Freundes Hatano Yoshishige folgen und zur Provinz Echizen, fernab der Hauptstadt, einen kleinen eigenen Tempel einrichten. Yoshishige, ein reicher Landeigentümer, stellt ihm bald ein herrliches Grundstück für den Neubau eines umfangreichen Zen-Tempelklosters zur Verfügung und das Kloster Eihei-ji (Der Tempel vom ewigen Frieden) wird errichtet. Dort kann Dogen viele buddhistische Mönche belehren und zur Zen-Meditation anleiten. Heraus ragt sein Lebenswerk, das Shobogenzo, das er der Nachwelt hinterlassen hat, ein Literaturwerk von hohem Rang und einzigartiger Bedeutung, das im Zen-Schrifttum nicht seinesgleichen hat. Er schrieb aber auch noch andere bedeutsame Werke, so die "Regeln für die Hauptmönche des Eihei-ji-Klosters", "Vorschriften für die Küchenbetreuer", "Vorsichtsmaßnahmen für das Studium des Weges" u.a.

Dogen hat seine eigene, den Gedanken prägende Sprache. Da er Ausdrücke aus der chinesischen Umgangssprache der Sung-Zeit übernimmt und eigene seinem Stil entsprechende Wortgebilde dafür findet, ist seine Sprache verschieden vom Sprachgebrauch seiner Zeit ebenso wie vom heutigen Japanisch. Sie bedarf der Interpretation. Nicht selten sind verschiedene Auslegungen möglich. Eine solche Sprache stellt der Übersetzung erheblichen Widerstand entgegen. Übersetzer ins Englische wie ins Deutsche kapitulieren nicht selten vor seinen Ausdrücken und erklären diese schlicht für "unübersetzbar". Es bleibt der Eindruck, dass Dogen die Lehre des Buddha in seiner gesamten Universalität zu vermitteln versucht. Es wäre sehr interessant, seine Aussagen in einer vernünftigen Übersetzung mit dem Pali-Kanon abzugleichen, was allerdings eine Lebensaufgabe wäre. Dogen Wirken war äußerst intensiv. Er starb leider früh im Alter von nur 53 Jahren.

In der Folgezeit wurde Zen mit langem Sitzen im Lotussitz identifiziert. Dazu muss man sagen, dass das reine Sitzen für weltlose Entrückungen und für den Stromeintritt nicht wesentlich ist. Es ist auch nicht sinnlos oder überflüssig. Es heißt nur, ihm den richtigen Platz einzuräumen. Dogen studierte jahrelang erst die Texte der Lehre. Er benutzte jede Stunde des Tages, um den Inhalt der Weisheit des Buddha in seinen Geist aufzunehmen und ihn umzugewöhnen. Erst später formulierte er dann das Shikantaza (Nur-Sitzen) als Mittel, um im schon wahrheitsfernen Zeitalter lange nach dem Buddha den Mönchen, die die Lehregut kannten und sie nun verwirklichen wollten, einen konkreten Anhalt zu geben. Er zeigte dies Sitzen als Mittel, um den unruhigen Geist allmählich zu konzentrieren. Außerdem erkannte er, wie die Menschen körperverliebt waren und daher das Werkzeughafte dieses Körpergestells erst einmal erfahren mussten. In diesem Sinne ähnelt Shikantaza der Beobachtung des Atems beim Körper, für die auch der Buddha den Kreuzsitz empfahl -aber erst gegen Ende des Schulungsweges. Wenn das Sitzen schon zur Zeit des Buddha nützlich war - wenn auch keineswegs unerlässlich - so war es erst recht in späteren Verfallszeiten nützlich. Aber stets waren zwei Dinge dabei zu berücksichtigen: Erstens gaben der Buddha und Dogen und die ihm folgenden Meister des Soto-Zen die Anweisung nur für Mönche und zweitens nur für fortgeschrittene Mönche, die das Ziel der Lehre voll akzeptierten und mindestens das überweltliche Bewusstsein ("Satori") erreichen wollten. Zen-Sitzen für Laien und sogar für solche, die kaum eine Ahnung von der Tiefe der Buddha-Weisheit haben, gibt es erst in unserer Zeit. Ein solches oberflächliches Zen wird dann zum Selbstzweck, zur Freizeitbeschäftigung und zu einer Flucht in gewisse Ruhe. Da kann man die Kunst lernen, im Lotussitz zu schlafen und zu dösen, oder das Sitzen wird zum Statussymbol derer, die herablassend auf die herunterblicken, die nicht so meditieren. Und wenn ein Sesshin mit mehr oder weniger mühsam durchgehaltenem Schweigen vorbei ist, dann bricht sich oft der Nachholbedarf an Schwatzhaftigkeit Bahn - mit oder ohne Sake.

So ist dieser Betrieb überhaupt nicht dasjenige, was der Buddha lehrte, was Dogen beabsichtigte und was all die großen Zen-Meister praktizierten. Es ist eines der Produkte des Kaliyuga, eine der buddhistischen Verfallserscheinungen.

Eine weitere große Gestalt des japanischen Buddhismus war Hakuin (1685-1768). Nach ihm kommen fast alle japanischen Rinzai-Meister aus seiner Linie und praktizieren das von ihm geprägte Hakuin-Zen. Sein Weg war durch die heute bekannte Verwendung von Koans geprägt.

Den ersten Schritt in den Westen tat das Zen bei Gelegenheit des "World`s Parliament of Religions" in Chicago im Jahre 1893, das Vertreter vieler Religionen in einem weltweiten Kongress zusammenführte. Eine zweite Phase der Vermittlung ist durch das Werk  D.T. Suzukis (1870-1966) bestimmt. Er war ein großer Interpret, allerdings ist sein Bild auf die Rinzai-Schule beschränkt, die Soto-Schule, die durch Dogen vertreten wird, kommt bei ihm kaum vor.

In Japan selbst gibt es tausende Zen-Tempel und Zen-Zentren voller Leben und nahmhafte Buddhismus-Forscher. Japan hat unglaublich viel für den Erhalt der Buddha-Lehre geleistet.

Ein empfehlenswertes Buch zum gesamten Thema ist "Geschichte des Zen-Buddhismus, Band II: Japan" von Heinrich Dumoulin.

Der gesamte Pali-Kanon wurde zum ersten Mal erst 1935-1941 von Daizo Shuppan ins Japanische übersetzt. Damit wurde der Theravada-Buddhismus erstmalig erst im letzten Jahrhundert den Japanern zugänglich gemacht. Die Ausgabe in 70 Bänden enthält auch außerkanonische Pali-Texte wie Visuddhimagga und Milindapanha.

 

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