Der Buddhismus in Vietnam.

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Im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde der Theravada-Buddhismus im Süden Vietnams bekannt. Rund 100 Jahre später kam der Mahayana-Buddhismus über China nach Nordvietnam. Zwischen dem 3. und 10. Jahrhundert kamen zahlreiche chinesische Mönche in dieses Gebiet, das zu dieser Zeit eine chinesische Provinz war. Im Jahre 580 gründete ein Inder namens Vinitaruci, der aus China kam, eine Meditationsschule, die sich auf Bodhidharma berief. Ihre Tradition erstreckte sich von 580 bis 1216 auf 19 Generationen. Eine zweite Meditationsschule entstand 820 durch den chinesischen Mönch Vo-ngon-thong und berief sich in zehnter Generation ebenfalls auf Bodhidharma. Wie in China bildeten sich auch andere Schulen, darunter auch eine Vinaya-Schule.

Im Jahre 939 konnte das Land Vietnam sich von den chinesischen Herrschern befreien. Kaiser Dinh Tien Hoang (reg. 968-979), ein glühender Anhänger des Buddhismus führte im Jahre 971 eine hierarchisch gegliederte religiöse Beamtenschaft ein und ernannte einen Mönch zum "Großen Meister, der Stütze des Volkes Viet". Von nun an wurde der Buddhismus für eine relativ lange Periode von den vietnamesischen Kaisern gefördert. Besonderes Interesse bestand am Erwerb der heiligen Texte. So wie einst chinesische Mönche nach Indien gepilgert waren, um dort die Originaltexte zu beschaffen und zu übersetzen, so wandten sich die Herrscher Vietnams jetzt nach China. Im Jahre 1008 bat Kaiser Le Long Dinh (reg. 1005-1009) um die klassischen religiösen Schriften und den Kanon (Tipitaka).

Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts geriet der Buddhismus aber unter den Einfluss des Daoismus, so dass einige Mönche lieber Magie betrieben und sich um das daoistische Elixier der Glückseligkeit bemühten. Als am Anfang des 15. Jahrhunderts Truppen der chinesischen Ming-Dynastie Vietnam besetzten, zerstörten sie die buddhistischen Tempel. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Macht von zwei rivalisierenden Herrscherhäusern in Norden und Süden ausgeübt. Beide Dynastien waren buddhistisch gesinnt und förderten die Religion durch neue Tempelbauten und den Austausch mit chinesischen Mönchen. 1802 wurde ganz Vietnam unter Kaiser Nguyen The-tho (reg. 1789-1820) geeint und eine neue Blütezeit des Buddhismus begann.

Die Ermordung katholischer Missionare bot für Napoleon III. von Frankreich den willkommenen Anlass für koloniale Eroberungen. 1858 begann eine französische Militärexpedition, die 1867 abgeschlossen wurde. Der Katholizismus breitete sich weiter aus, wenngleich er immer eine Minderheitsreligion blieb, die aber aufgrund ihrer Verflechtung mit der Kolonialmacht einige Eliten herausbildete. 1883 besetzte die französische Republik auch den letzten Rest des vietnamesischen Kaiserreiches, errichtete dort ein Protktorat und setzte einen Residenten ein, was die faktische Entmachtung des Kaisers bedeutete, der nur noch eine Statistenrolle spielte.

Im Süden verfiel der Buddhismus unter der Kolonialmacht zusehends. Europäische Reisende hatten in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts Mühe, in Saigon einen buddhistischen Tempel zu finden. Dem wirkte seit 1920 eine buddhistische Erneuerungsbewegung erfolgreich entgegen. Ihre Anfänge liegen in den Vereinigungen von Laienbuddhisten, die für den Unterhalt bestimmter Tempel aufkamen. Darum bemühte sich auch sehr die Mutter des letzten Kaisers Nguyen Vinh-thuy (reg. 1926-1955).

Im Jahre 1931 erfolgte in Saigon die Gründung der "Vereinigungen zum Studium des Buddhismus". Die Erfolge waren groß und 1932 entstand in Hue eine Hochschule für buddhistische Mönche. Diesen Reformgruppen schlossen sich vor allem jüngere Laien an, die den erstarrten Buddhismus durch das Studium der alten Texte neu beleben wollten. In den 30er Jahren erfuhr der Theravada-Buddhismus durch Studienvereinigungen einen Aufschwung. Das war auch der Missionstätigkeit von Mönchen aus Sri Lanka förderlich. Im Jahre 1956 besaßen die Theravadins zwar erst fünf Klöster mit insgesamt 20 Mönchen, doch betrachteten die Anhänger des Mahayana, die ja die Mehrzahl bildeten, diese nicht als Konkurrenz, sondern standen ihnen wohlwollend gegenüber.

Die Zielsetzung der buddhistischen Reformbewegung Vietnams war zwar in erster Linie religiös, doch nahm sie bald auch den Charakter einer nationalen Bewegung an. Ihr Ansehen stieg durch die Bildung gemeinnütziger Einrichtungen. Man wandte sich sowohl gegen die Überfremdung durch den französischen Kultureinfluss wie auch gegen den eratarrten Traditionalismus.

Die politische Teilung Vietnams im Jahre 1954 in einen kommunistisch ausgerichteten Norden und einen autoritär gelenkten Staat im Süden drängte in beiden Landesteilen viele buddhistische Mönche in politische Opposition, die auch während des Vietnamkrieges (1964-1975) anhielt. Starker Mann in Südvietnam war von 1955 bis 1963 Ngo Dinh Diem, der aus einer Familie stammte, die seit dem 17. Jahrhundert katholisch war. Während seiner achtjährigen Diktatur besetzte er die entscheidenden Machtpositionen mit Katholiken. Nachdem einer seiner Brüder 1960 römisch-katholischer Erzbischof von Hue geworden war, nahm die Unzufriedenheit über die Zurücksetzung buddhistischer Interessen rasch zu. Zudem hatte die Regierung Nordvietnams 1959 beschlossen, den Aufstand der Rebellenorganisation Viet-cong im Süden zu unterstützen, da die Diem-Regierung sich weigerte, die 1954 in Genf vereinbarten freien Wahlen für ganz Vietnam zu akzeptieren.

Ausdruck der Proteste gegen die politischen Verhältnisse war 1963 die erste Selbstverbrennung eines 72 Jahre alten buddhistischen Mönches, deren Bilder um die Welt gingen.

Schließlich kam es zum Vietnam-Krieg, in den dann auch Amerika eingriff und der eine große Katastrophe wurde. Mit dem Sieg des Viet-cong und der Vereinigung beider Staaten unter Führung des kommunistischen Nordens wurde der Buddhismus als Religion zwar nicht verboten, aber doch Repressalien ausgesetzt, die sich vor allem gegen politisch aktive Buddhisten wandte.

1964 wurde die "Vereinigte Buddhistische Kirche von Vietnam" (UBCV) gegründet, in der auch viele der vietnamesischen Buddhisten im Ausland Mitglied sind.

Der bekannteste buddhistische Mönch Vietnams ist der 1926 geborene Thich Nhat Hanh. Neben dem Dalai Lama ist er auch als Autor zahlreicher Bücher einer der profiliertesten zeitgenössischen Meister der buddhistischen Lehre und schon seit seiner Jugend dezidierter Vertreter eines engagierten Buddhismus. Vorträge führten ihn rund um die Welt und viele Friedensaktivitäten wurden vom ihm auf den Weg gebracht.

Die buddhistische Schule von Thích Nhat Hanh (der ursprünglich von der Rinzai-Zen-Schule kommt) wird mit dem Begriff  "Sati-Zen" bezeichnet. Elemente des Theravada sind integriert, insbesondere solche der Achtsamkeitspraxis (sati ist der Palibegriff für Achtsamkeit). Diese Grenzen sprengende, große Offenheit gegenüber verschiedensten buddhistischen Traditionen kennzeichnet das Denken von Thích Nhat Hanh. Vor allem dieser Offenheit - auch westlichem Gedankengut gegenüber - ist es zu verdanken, dass der vietnamesische Mönch eine Darlegung und Praxis der Buddha-Lehre entwickeln konnte, die westlichen Menschen eine ansprechende Form spiritueller Praxis eröffnet.  2007 wurde, von Thich Nhat Hanh initiert, in Waldbröl (Nordrhein-Westfalen) das Europäische Institut für Angewandten Buddhismus (EIAB) in einem großen denkmalgeschützen Gebäude (jetzt Ashoka-Institut) eingerichtet.

 

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