Zitate aus dem Buch: Bilder der Existenz von Dr. Hellmuth Hecker.

 

Der Erwachte hat seine Lehrreden mit Gleichnissen immer wieder angereichert. Auf Schritt und Tritt, fast in jeder Lehrrede, begegnet einem irgendein Gleichnisbild. Im gesamten Palikanon findet man schätzungsweise eintausend Gleichnisse.

In der gesamten Weltliteratur findet man keine umfassendere Sammlung, die alle Bereiche der Theorie und Praxis der spirituellen Entwicklung behandelt.

 

 

Christliche Gleichnisse und die damit zusammenhängenden Anschauungen sind tausendfältig in unserem abendländischen Kulturraum verwurzelt, so dass zahlreiche Bezüge und Anspielungen auf Bekanntes das entsprechende Thema unschwer anreichern konnten. All das  aber fehlt hinsichtlich des Buddhismus, der erst seit kaum 110 Jahren in Europa bekannt ist und dessen indischer Hintergrund gerade in den Gleichnissen besonders hervortritt. Daher ist eine Einführung in buddhistische Gleichnisse nicht einfach. Hellmuth Hecker versucht das mit dem o.g. kleinen Buch.

Wer dabei ist, sich mit der Lehre vertraut zu machen, sollte seine Aufmerksamkeit auch auf diesen Schatz des buddhistischen Kanons hinlenken und Verständnis für die Gleichnisse entwickeln. Es wird empfohlen, die Lehrreden zu lesen und sich Gedanken über die Gleichnisse zu machen.

Für das Verständnis der buddhistischen Gleichnisse braucht man freilich eine bestimmte Einfühlung in die geistigen Dinge überhaupt. Der Buddha gibt seine vielen Gleichnisse in der Absicht, unbekannte oder verborgene Dinge oder Zusammenhänge dadurch leichter verstehbar zu machen. Ebenso wie Jesus geht er dabei von dem sinnlich vor Augen Liegenden aus, von der bunten Vielfalt des Lebens, vom Alltag. Die dortigen anschaulichen Verhältnisse und Beziehungen werden von ihm in ihrem tiefen Wesen erfasst, so dass meist schon das aus dem Leben gegriffene Bild in sich selber eine erhellende, augenfällige Offenlegung von Zusammenhängen des praktischen Lebens enthält, welches Zutrauen in die umfassende Beobachtungsgabe und Erfahrung des Buddha erweckt. Und dann werden diese Bilder des diesseitigen Lebens auf entsprechende seelische, geistige und jenseitige Verhältnisse übertragen. So führt jedes Gleichnis vom Bekannten zum Unbekannten hin. Das ist nur deswegen mit so überraschender Präzision möglich, weil im Grunde die sinnliche Welt nur eine Spiegelung des Herzens, ein Gleichnis der Psyche ist und er lässt durch sie zwanglos und mit zunehmender Deutlichkeit merken, wie eben die ganze Welt tatsächlich nichts als ein Symbol psychischer Kräfte ist. Daher sind die Gleichnisse nicht etwa nur schmückendes Beiwerk, sind keine interessante folklorischtische Zugabe, keine Konzession an die menschliche Vordergründigkeit, sondern sind wesentliche Mittel, um dem Menschen die Einheit von außen und innen, von Welt und Psyche zu zeigen. so gesehen entpuppen sich die Gleichnisse als zentrales Lehrelement zur Erkenntnis des geistigen Charakters der Phänomene.

Wenn man die ältesten Gleichnisse, d.h. die des Palikanon überblickt, so finden sich diese über den ganzen Kanon verstreut. In der Mittleren Sammlung gibt es ein besonderes "Buch der Gleichnisse", und in der Gruppierten Sammlung gibt es ein besonderes Gleichnis-Samyutta, doch viele der tiefsten und großartigsten Gleichnisse stehen nicht an diesen beiden Stellen. Es lassen sich nun etwa folgende vier Arten von Gleichnissen unterscheiden:

Da sind die umfassenden Gleichnisse, die oft zu einer Erzählung erweitert sind, d.h. sog. Parabeln. Dies ist besonders im 35. Samyutta der Fall. Solche großen Gleichnisse beziehen sich jeweils auf mindestens eine der 4 Wahrheiten.

Weit mehr noch gibt es Gleichnisse für einzelne Punkte der Lehre, für besondere Verhältnisse, für einige oder nur eine Eigenschaft. Auch dabei kommt gelegentlich eine Parabel vor, meist aber sind es Allegorien oder schlichte Vergleiche.

Dann gibt es noch zahlreiche Gelegenheitsbilder, die im Fluss der Darlegung auftauchen und diese auflockern. Solche Vergleiche sind meist aus sich selber heraus verständlich und bedürfen kaum der Erläuterung.

Schließlich bringt der Buddha auch manchmal Gleichnisse in Form sinnlicher Demonstrationen, indem er eine Schüssel umkehrt, Blätter in die Hand nimmt, Staub auf den Fingernagel nimmt. Oder er greift etwas auf, was seine Zuhörer gerade erleben, was sie hören (ein Schakal schreit) oder sehen (ein Holzstück oder Motten am Licht). Auch solche Vergleich sind meist aus sich selbst verständlich

Für die erste Gruppe der umfassenden Gleichnisse folgt hier ein kurzes Beispiel:

In der ersten der Vier Edlen Wahrheiten beschreibt der Erwachte die existentielle Situation der Unzulänglichkeit, d.h. das, was dem Menschen in der Welt als Leiden begegnet. Das ist die Ausgangssituation allen Suchens und Fragens nach Verbesserung. Ehe man aber etwas verbessern kann, muss man die Situation genau analysieren und ihren Tatbestand richtig aufnehmen. Eine solche existentielle Tatbestandsaufnahme der Gesamtheit des Unzulänglichen gibt der Erwachte mit der Nennung der 5 "Aneignungen" oder "Erscheinungen" (Khanda): Form, Gefühl, Wahrnehmung, Aktivität, programmierte Wohlerfahrungssuche. Diese 5 Kategorien nennen alle unbeständigen und bedingten Erscheinungen.

Im Samyutta Nikaya 22, 95 ist ein Gleichnis zu lesen, welches der Buddha, am Gangesufer weilend, gab:

Wenn der Ganges einen großen Schaumball mit sich führt, dann gleicht dieser der Form.

Erklärung: Die uns so fest und materiell erscheinende Form besteht in Wirklichkeit aus ganz anderem Stoff, ist aus Leerheit zusammengesetzt, so wie es heute auch die Physik sieht, die die Materie als aus Leerheit und Spannung bestehend erklärt. So wie der Schaumball aus schäumender Gischt, aus Schmutz und Luft zusammengesetzt ist, ein Abfallprodukt des Stromes, ebenso ist die Zerspaltung der Vielfaltswelt vom Geiste gewirkt und zusammengesponnen. "Wir sind aus solchem Stoff, wie Träume sind, bestanden", sagt Shakespeare. Der Stoff ist anders als er scheint, er ist ein bloßes Gebilde, das für die Existenz  gar nicht nötig ist, denn es gibt Daseinsweisen ganz ohne Form. So ohne Kern, ohne Zentrum, ohne festen Anhalt wie der Schaumball auf dem Ganges, ebenso ist die Form hohl und leer, ist nicht das Eigentliche, Eigenständige.

Weiter sagt der Erwachte: Wenn im Herbst der Regen in schweren Tropfen herunterprasselt, dann tauchen auf dem Wasser dauernd Blasen auf und unter. So schnell, wie sie entstehen, vergehen sie auch schon wieder - ebenso ist es mit den Stimmungen, den Gefühlen.

Erklärung: Wie die Blase nicht eigenständig ist, sondern ein Produkt des Aufeinandertreffens von Wasser von oben (Regen) und Wasser auf der Erde (Ströme, Pfützen), so ist auch das Gefühl abhängig von Außen und Innen. Und so hohl und leer, wie die Blase ist, so leer ist auch das wechselnde Gefühl, ist ohne Kern und Halt. Es gibt nichts ewig Bleibendes am Gefühl, sondern nur ewiger Wechsel: Spritzer folgt auf Spritzer, Blase auf Blase bläht sich und platzt - wenn auch in höheren Stadien mit längeren Pausen.

Es ist so, wie wenn im letzten Monat des Sommers, zur Mittagszeit, eine Luftspiegelung erscheint: das ist die Gewahrung.

Erklärung: Wie die Fata Morgana aus Hitze entsteht und ein Bild projiziert, das dort nicht ist, wo es erscheint, ebenso entsteht aus der inneren Hitze der Triebe des Herzens die Vorstellung von schönen, ewigen, wohligen, gehaltvollen Dingen und deren Verhinderung durch unschöne, widerwärtige, störende Dinge.

Es ist so, wie wenn ein Mann, der Kernholz wünscht, darauf ausgeht, es sucht, mit scharfer Axt einen Wald betritt, Da sähe er einen großen Bananenbaum, gerade, jung, hochgewachsen. Den fällte er an der Wurzel, schnitte die Spitze ab und rollte die Blattscheiden auf - doch dabei würde er nicht einmal zu Grünholz kommen, geschweige denn zu Kernholz. Das ist am ausführlichsten beschrieben, das Bild für Aktivität.

Erklärung: Hier erscheint zum ersten Male der Mensch, der Täter. Form, Gefühl und Gewahrung sind rein passiv, kommen auf den Menschen zu als Ernte seines Wirkens. Hier aber wird er aktiv, sucht nach dem Baum der Existenz, nach der Geborgenheit, aber er sucht falsch. Ein Bananenbaum besteht nur aus scheinbar festen Blatthülsen, die ohne jeden Holzkern sind. Ebenso sind alle gewordenen Dinge ohne Kern. Da müht man sich umsonst.

Es ist so, wie wenn ein Gaukler oder sein Gehilfe am Treffpunkt vierer Straßen ihr Gaukelwerk zeigen: Das ist das Bewusstsein, die programmierte Wohlerfahrungssuche.

Erklärung: Der Gaukler lässt eine Maya erscheinen. Der Mensch bringt hier aus sich selber, d.h. aus seiner Gewöhnung, etwas scheinbar Objektives hervor. Und so ist alles eines, nur Gaukler und Gaukelwerk, alles ist vom Bewusstsein (Vinnana) ausgehend: Es entwirft spiegelnd alle seine Inhalte. Der Fluss mit Schaumball und Blasen, die Luftspiegelung von Wasser in der Wüste, die saftig-fleischige Bananenstaude, all das sind tote Dinge, alles ist nur ein Film, ein Bild, das vom Vinnana projiziert wurde und keinen anderen Gehalt hat, so wie nach dem Wort des Buddha ein Gemälde eben nur vom Maler Herz gemalt ist und keine Wirklichkeit hat. Alles, was der Maya-Macher hervorbringt, ist kernlos, vergänglich - er kann nichts anderes spiegeln, als was in ihm ist. Ein geträumtes Ich in einer geträumten Welt - das ist Maya. Und daran gewöhnt sein, den Traum für real zu halten - das ist der Maya-Macher, der sich über sein eigenes Produkt täuscht. So ist die Maya nur Täuschung des Vinnanam über sich selbst.

Die Rede endet mit einigen Versen, zum Schluss sagt der Buddha:

So soll der Mönch mit Kraft und Mut

die "khandha" (5 Daseinsgruppen) sich vor Augen führn,

bei Tag bemüht, bei Tag und Nacht

mit klarem Geist und festem Sinn.

Von allen Fesseln lass` er los,

Zuflucht such er nur in sich selbst,

als ob sein Haupt in Flammen stünd,

erstreb er Unvergänglichkeit.