"Vier sehenswürdige, ergreifende Orte, ihr Mönche, gibt es für einen von Vertrauen erfüllten, edlen Menschen. Welche Vier?"

Anguttara-Nikaya, Vierer-Buch

 

"Wo der Vollendete geboren ward, das, ihr Mönche, ist für einen von Vertrauen erfüllten edlen Menschen ein sehenswürdiger, ergreifender Ort. Wo der Vollendete die unvergleichliche vollkommene Erleuchtung erlangte, das, ihr Mönche, ist für einen von Vertrauen erfüllten edlen Menschen ein sehenswürdiger, ergreifender Ort. Wo der Vollendete das unvergleichliche Rad der Lehre in Bewegung setzte, das, ihr Mönche, ist für einen von Vertrauen erfüllten edlen Menschen ein sehenswürdiger ergreifender Ort. Wo der Vollendete in dem von jedem Daseinsrest freien Nibbana-Element erlosch, das, ihr Mönche, ist für einen von Vertrauen erfüllten edlen Menschen ein sehenswürdiger ergreifender Ort."

Im Lumbini-Hain bei Kapilavatthu geboren, in Uruvela, dem heutigen Buddhagaya (Bodhgaya) zum Buddha, zum Erwachten geworden, in Isipatana, dem heutigen Sarnath, zum ersten Mal als Lehrer, als Dreher des Rades der Lehre auftretend, in Kusinara, im Sala-Hain der Malla, im achtzigsten Jahr verstorben, das sind die vier entscheidenden Punkte in der Lebensbahn dieses außerordentlichsten aller Menschen.


Lumbini, der Geburtsort des Buddha:

Hida Bhagavam Jate Ti, "Hier ist der Erhabene geboren worden."

"Zwanzig Jahre nach seiner Krönung kam König Devanampiya Piyadassi hierher und bezeugte seine Verehrung. Er ließ ein Steinrelief anfertigen und eine Steinsäule errichten, um anzuzeigen, dass hier der Erhabene geboren wurde. Das Dorf Lumbini befreite er von Steuern und setzte seine Naturalabgaben (von dem üblichen Viertel) auf ein Achtel (herab)."

Mit dieser Inschrift auf einer steinernen Gedenksäule von sechseinhalb Metern Höhe hat König Asoka im Jahre 245 v. Chr. seine Wallfahrt zur Geburtsstätte des Buddha bezeugt.

Dieser Ort (gelegen im heutigen Nepal) ist 1896 archäologisch entdeckt worden. Der markanteste Fund damals war diese spezielle Steinsäule sowie eine wohl aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. stammende Steinplatte, die heute in dem kleinen, erst 1934 errichteten Maha-Maya-Devi-Tempel dort untergebracht ist. Sie zeigt Maya, die Mutter des Buddha, die sich, das Kind gebärend, stehend an einem Ast des Sala-Baumes festhält.

1996 wurde der genaue Platz, an dem der Buddha geboren wurde, von Archäologen entdeckt. Mehr als 300 Ausgrabungen waren dazu von Wissenschaftlern aus Japan, Indien, Nepal und Pakistan durchgeführt worden. Schließlich wurde der Ort beinahe fünf Meter unter der Erdoberfläche ausgemacht. Die exakte Entdeckung war ein Stein, der im Flur des Maha-Maya-Devi-Tempels von König Ashoka gelegt worden war, um den exakten Platz der Geburt Buddhas zu markieren. Der Stein war 249 Jahre vor der westlichen Zeitrechnung gelegt und besagte Säule darüber gebaut worden.

1996 wurde auch ein internationales Forschungszentrum in Lumbini eröffnet. Eine Pilgerherberge modernen Entwurfs war schon früher entstanden.

Nach einem Bericht des chinesischen buddhistischen Pilgermönchs Xuanzang, der Lumbini im 7. Jahrhundert n. Chr. besuchte, war die Gedenksäule damals schon beschädigt und ihr Kapitell in Form eines Pferdes abgebrochen. Xuangzang sah das Kapitell auf dem Boden liegen, heute ist es verschwunden.

Im heutigen Zustand ist die Säule 6,40 m hoch und von einem Blitzschlag der Länge nach gespalten. Sie wird durch einen eisernen Ring zusammengehalten und ist oben durch eine Steinplatte vor dem Verwittern geschützt.

 

Bodhgaya, Ort der Erwachung:

Der Ort der Erleuchtung bzw. Erwachung ist heute durch den Mahabodhi-Tempel (s.o.) gekennzeichnet, aber nicht das Bauwerk, sondern der Erleuchtungsbaum, der sog. Bodhi-Baum, ist Gegenstand der Verehrung.

Das erste Gebäude in Bodhgaya stammt aus dem 3. Jahrhundert vor Chr., als Kaiser Asoka neben dem Baum eine Plattform errichten ließ. Eine große bemalte Steinplatte wurde direkt an den Ort gesetzt, an dem der meditierende Buddha erwachte. Im 1. Jahrhundert vor Chr. wurde die Stätte von Steinen umfasst, ähnlich den Umfassungen bei anderen buddhistischen Gedenkmonumenten. Unter zahlreichen Ergänzungen späterer Zeiten ist die wichtigste ein großer, gemauerter Tempel, der im 6. Jahrhundert nach Chr. auf Anordnung des Mahanama, einem Mönch aus Sri Lanka mit Verbindungen zum Königshaus, direkt neben dem Baum errichtet wurde. Dieser Tempel wurde unter dem Namen Mahabodhi bekannt. Er wurde vor allem unter den Pala-Königen aus Ostindien zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert restauriert, später von frommen Buddhisten aus anderen Ländern. Nach dem Niedergang des indischen Buddhismus im 12. Jh. wurden die meisten buddhistischen Stätten zerstört oder verfielen. Im 13. Jh. wurde der Tempel von islamischen Truppen beschädigt, aber - zum Teil mit Hilfe aus Burma - wiederhergestellt und im 14. Jh. durch Ecktürme ergänzt. Pilger unterstützten den Erhalt des Tempels. Mönche und Pilger errichteten außerdem kleine Stupas im Tempelbezirk. Die Lehre des Buddha aber verschwand fast völlig aus Indien. Im 18. Jh. nahm eine hinduistische Religionsgruppe den verfallenen Tempel unter ihre Verwaltung, führte aber keine Restaurierungsarbeiten durch. Erst im Jahre 1891 gründete Anagarika Dharmapala aus Sri Lanka die Mahabodhi-Gesellschaft und erste Restaurierungsarbeiten wurden durch die britische Regierung durchgeführt. Damals waren besonders die Burmesen aktiv. 1949 gelang es, Bodhgaya für den Buddhismus zurückzufordern. Die Verwaltung besteht seitdem aus vier Buddhisten und vier Hindus mit einem hinduistischen Bezirksfriedensrichter aus Gaya als Vorsitzenden.

Die jetzige Höhe des Tempels beträgt 53,68 m. Er ist , wie er sich nunmehr dem Auge darstellt, durch die Stuckbekleidung modern von oben bis unten. Er birgt auf ebener Erde einen Schreinraum, in dem eine vergoldete Buddhaskulptur zur Andacht einlädt. Den Innenraum der oberen Etage füllt eine Bibliothek aus. Die Empore ist nur auf besondere Bitte zugänglich.

Der Bodhi-Baum, unter dem der Buddha erwachte, an der hinteren Seite des Mahabodhi-Tempels, ist durch einen Steinzaun geschützt. Die Abschirmung ist nötig, denn zuweilen möchten allzu viele Besucher Ehrenflaggen und Wimpel an dem Baum befestigen.

Heute ist Bodh Gaya ein vitales, internationales buddhistisches Pilgerzentrum. Buddhisten aus Sri Lanka, Thailand, Burma, Tibet, Butan und Japan errichteten in Bodh Gaya zahlreiche Klöster und Tempel. 2002 wurde der Ort in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Im gleichen Jahr wurde wegen zahlreicher festgestellter Missstände an das Hochkommissariat für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen appelliert, die Verwaltung des Klosters Mahabodhi an Buddhisten zu übergeben.

 

Sarnath, die erste Lehrverkündigung:

Sarnath, der Schauplatz des Andrehens des Dhamma-Rades und der Gründung des Mönchsordens, liegt 8 km nördlich von Benares und ist seit der Asoka-Zeit durch den Dhamekh-Stupa und eine Edikt-Säule des Königs Asoka gekennzeichnet.

Der Haupttempel am Ort trug nach Mitteilung des chinesischen Pilgers Xuangzang den Namen Mulagandhakuti-Vihara, "Kloster der ersten Dufthütte des Buddha". Die Ruine ist noch zu sehen. Die Ziegelmauern sind fast 3 m dick und lassen für den einstigen Tempelturm eine Höhe von 60 m annehmen. Die Innenhalle mißt 13 x 13 Meter. Sie enthielt nach Xuangzang eine lebensgroße Kupferstatue des lehrenden Buddha.

Das augenfälligste und historisch wichtigste Monument im Wildpark von Isipatan (heute: Sarnath) ist der Dhamek-Stupa. Nordwestlich des Stupa erstreckt sich ein Feld mit Ruinen alter Klöster. Die Bedeutung des Namens "Dhamek" war umstritten, bis die Archäologen eine Plakette aus gebranntem Ton fanden mit der Inschrift "dhamaka" (Sanskrit: Dharmacakra) "Rad der Lehre". Damit war bestätigt, dass dies die Stelle ist, wo der Buddha das "Rad der Lehre in Gang setzte".

Die Edikt-Säule wurde 1905 freigelegt und befindet sich im Archäologischen Museum am Ort.

 

Kusinara, Parinibbana des Buddha:

Ein Stupa und ein Tempel bezeichnen den Sterbeort des Buddha im Sala-Hain von Kusinara. Um die heilige Stätte herum liegen die Ruinen von acht Klöstern. In den 50er Jahren ist das Gelände mit Sala-Bäumen wieder aufgeforstet worden.

Der Nibbana-Tempel wurde 1956 errichtet und ersetzt einen alten Tempel an der gleichen Stelle. Der Entwurf entspricht früheren Entwürfen. Der Tempel enthält eine Skulptur des in Parinibbana eingehenden Buddha.

Der Nibbana-Stupa von Kusinara ist aus einem knapp drei Meter hohen, Aschenreliquien enthaltenden Ziegelstupa durch immer neue Ummantelungen und Aufstockungen erwachsen. Er wurde 1876 freigelegt und 1927 restauriert. Die Beton-Ummantelung aus den 50er Jahren ist im Kuppelteil hohl und überwölbt den Stupa in der Gestalt der Restaurierung von 1927. In seiner kompletten Form scheint der Stupa einst 45 m hoch gewesen zu sein.

Eine Woche nach seinem Parinibbana (Hinscheiden) wurde der Leib des Buddha eingeäschert. Der Mönch Mahakassapa war es, der den Scheiterhaufen in Brand setzte, bzw. ist überliefert,  dass, nachdem er dem Buddha die letzte Ehre erwiesen hatte, der Scheiterhaufen von selbst zu brennen begann. Als der Scheiterhaufen fast heruntergebrannt war, wurde die Restglut gelöscht; die Knochen- und Aschenrückstände wurden eingesammelt und als Reliquien verteilt. Einen Reliquienanteil nahmen auch die Sakiyas entgegen, der Stamm, in dem der Buddha geboren war.

Die Verbrennungsstätte liegt 1,5 km östlich vom Sterbeort. Die Einäscherungsstätte ist lokalisiert durch den Angara-, den Holzkohlenstupa. Er hat einen Durchmesser von 34 m, ist aber im heutigen Zustand nur rund 8 m hoch. Schatzsucher haben viele Jahrhunderte in dem Stupa gegraben. Welchen Grad der Verehrung die Stätte einmal genoss und wie viele Pilger sie aufsuchten, wird deutlich durch die Menge von Votivplaketten, die bei archäologischen Grabungen am Ort gefunden wurden.

Xuanzang (7. Jh.) berichtete, er habe in der Nähe des Einäscherungsstupa eine Säule des Kaisers Asoka gesehen, deren Inschrift darauf hinwies, dass hier die Reliquien des Buddha verteilt worden seien.


Wie diese heiligen Stätten auf den westlichen Besucher der heutigen Zeit wirken können, beschreibt sehr schön der berühmte Schweizer Arzt und Psychotherapeut Carl Gustav Jung (1865 - 1961). Er war kein Buddhist, war aber auf der Suche nach den Wahrheiten der menschlichen Psyche und entsprechend sensibilisiert.

Auf Einladung der britisch-indischen Regierung hielt er sich 1937/1938 in Indien auf. C.G.Jung war besonders beeindruckt von den buddhistischen Stupas von Sanchi, dem ältesten und besterhaltensten buddhistischen Stupa-Komplex Indiens. Erbaut wurde Sanchi wahrscheinlich unter König Asoka. Zwischen 200 vor Chr. und 600 nach Chr. war Sanchi eines der Hauptzentren der buddhistischen Kultur und des Klosterwesens in Indien. Man könnte es der Liste als fünften sehenswerten ergreifenden Ort für Buddhisten hinzufügen :

"Unvergesslich sind für mich die Stupas von Sanchi. Sie ergriffen mich mit unerwarteter Gewalt und versetzten mich in eine Emotion, die dann bei mir einzutreten pflegt, wenn ich einer Sache oder Person oder eines Gedankens ansichtig werde, deren Bedeutung mir noch unbewusst ist. Die Stupas liegen auf einem Felshügel, zu dessen Anhöhe ein angenehmer Weg über große Steinplatten in grüner Wiese führt. Es sind Grabmäler, bzw. Reliquienbehälter von halbkugeliger Form, eigentlich zwei übereinandergestülpte Reisschalen (konkav auf konkav), entsprechend der Vorschrift des Buddha im Mahâ-Parinibbâna-Sûtra. Sie sind von den Engländern in pietätvoller Weise wieder hergestellt worden. Das größte dieser Gebäude ist von einer Mauer mit vier kunstvollen Toren umgeben. Wenn man eintritt, führt der Weg nach links zu einer Circumambulation im Sinne des Uhrzeigers. An den vier Kardinalpunkten stehen Statuen des Buddha. Hat man die eine Circumambulation vollendet, so betritt man einen zweiten höher liegenden Rundweg, der im selben Sinne verläuft. Der weite Blick über die Ebene, die Stupas selber, die Tempelruinen und die einsame Stille des heiligen Ortes bilden ein unbeschreibliches Ganzes, das mich ergriff und festhielt. Nie zuvor war ich von einem Ort dermaßen verzaubert worden. Ich trennte mich von meinen Gefährten und versank in die überwältigende Stimmung... Es war der Buddhismus, der mir dort in einer neuen Wirklichkeit erschien.

Da hörte ich aus der Ferne näher kommend rhythmische Gongtöne. Es war eine Gruppe japanischer Pilger, die, einer hinter dem ändern marschierend, einen kleinen Gong schlugen. Sie skandierten damit das uralte Gebet: Om mani padme hum - wobei der Gongschlag auf das «hum» fiel. Sie verneigten sich tief vor den Stupas und traten dann durch das Tor ein. Dort verneigten sie sich wieder vor der Buddhastatue und intonierten einen choralartigen Gesang. Dann vollzogen sie die doppelte Circumambulation, wobei sie vor jeder Buddhastatue einen Hymnus sangen. Indem meine Augen sie beobachteten, gingen Geist und Gemüt mit ihnen, und etwas in mir bedankte sich schweigend bei ihnen dafür, dass sie meiner Unartikuliertheit in so trefflicher Weise zu Hilfe gekommen waren."

(Quelle: Erinnerungen, Träume, Gedanken / C. G. Jung. Aufgezeichnet u. hrsg. von Aniela Jaffé. Rascher 1962.)


Als sich der Buddhismus in Asien zunehmend verbreitete, wurden neue Pilgerorte, einschließlich heiliger Berge, bestimmt. So z.B. der "Adams Gipfel" in Sri Lanka. Was auch immer die Besonderheiten der einzelnen Pilgerorte waren, die Pilger der gesamten buddhistischen Welt verehren sie durch eine Reihe gemeinsamer Ideale und Bräuche. Pilgerreisen sind eine Quelle vieler Verdienste, vorausgesetzt, sie werden mit der richtigen Absicht und der angemessenen geistigen Haltung unternommen.