Die Berufung Anandos.

 

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In der Hauptstadt des Königreichs Vamsa, Kosambi, hatte die Lehre erst Fuß gefasst, nachdem die drei Hauptgebiete (Magadha, Kosalo und die Himalaya-Fürstentümer) gewonnen waren. Ein Anhänger, Ghosito, hatte dem Buddha eine Gartenstiftung als Kloster angeboten, und dort nahm der Erwachte Aufenthalt. Und die Lehre verbreitete sich auch im Lande Vamsa.

In diesem Kloster kam es zum "Streit von Kosambi", welcher beinahe zu einer Ordensspaltung geführt hätte. Zwei Mönche und deren Anhänger gerieten in Streit um die Vinaya-Auslegung, weil einer der beiden im Waschraum nachlässigerweise das schmutzige Waschwasser stehen gelassen hatte. Der Streit spitzte sich dermaßen zu, dass sich der Buddha selbst zu den Mönchen begab, aber die Parteien gaben nicht nach und hielten getrennte Ordensversammlungen ab, so wie später Devadatto. Schließlich begab sich der Buddha auf Wanderschaft zum östlichen Bambushain, wo Anuruddho, Kimbilo und Nandiyo weilten, die er in ihren Meditationsübungen belehrte und bestärkte. Danach verbrachte er die ganze neunte Regenzeit in der Einsamkeit, so dem gesamten Orden ein mahnendes Vorbild gebend. Dort wurde der Erwachte von keinem Menschen besucht, nur von einem wilden Elefanten, der ihm zugetan war, mehr zugetan als die Mönche von Kosambi.

In der Zeit hatten die Hausleute von Kosambi den Mönchen keine Almosen mehr gegeben, um sie daran zu erinnern, wie sehr sie vom Leib her von der Speise der Hausleute abhängig seien. Erst als sie hungern mussten, kamen sie zur Besinnung. Am Ende konnte der Streit noch wirksam geschlichtet werden, aber er blieb ein mahnendes Beispiel dafür, dass überall da, wo die Triebfreiheit noch nicht verwirklicht ist, aus nichtigem Anlass Streit entstehen und die Wesen immer blinder machen kann - auch wo sie glauben, mit dem Verstand schon viel Wahrheit begriffen zu haben.

Die elfte Regenzeit verbrachte der Buddha in Magadha beim Dorf Ekanala. Dort kam es zum Gespräch mit dem Brahmanen Pfüger-Bharadvajo, der da äußerste, er säe und ernte, aber der Asket nicht. Der Buddha erklärte ihm dann, wie ein Asket geistig säe und ernte. Und am Ende wurde der Brahmane Mönch und bald Geheilter

Die zwölfte Regenzeit verbrachte der Erwachte bei der Stadt Veranjara. Dann kehrte der Buddha nach Vesali zurück. Dort ereignete sich der Fall des Mönches Sudinno, der als erster Mönch Geschlechtsverkehr ausübte, um seiner Familie noch einen Erben zu verschaffen, da sonst das Vermögen an den Staat fallen würde. Da erließ der Buddha die erste Regel über den Ordensausschluss: Der Ersttäter aber durfte noch im Orden bleiben.

Die dreizehnte Regenzeit verbrachte der Erhabene bei Calika in einer Grotte. Damals war der Mönch Meghiyo sein Aufwärter. Aus den folgenden Jahren ist dann wiederum nichts Besonderes berichtet: Die sechzehnte Regenzeit verbrachte der Erwachte in Alavi, die siebzehnte in Rajagaham, die achtzehnte und neunzehnte wieder in der Calika-Grotte (wie in der dreizehnten).

Die Berufung Anandos

Im zwanzigsten Jahr seines Wanderlebens weilte der Erwachte in Savatthi, und hier kam es zu der berühmten Geschichte der Bekehrung des Raubmörders Angulimalo, wie sie in Majjhima Nikaya 86 berichtet ist. Der Räuber, den der König mit aller seiner Macht nicht bezwingen konnte, den bändigte der Buddha mit geistiger Macht. Unerschütterlich trat er ihm entgegen und machte den von solcher geistigen Macht Erschütterten auf seine Bitte hin zu seinem Jünger. Als Mönch war Angulimalo der weltlichen Strafe entzogen, und König Pasenadi, der ihn als Räuber hatte zu Tode bringen wollen, freute sich, dass der Buddha seine Seele gerettet und ihn in den Orden aufgenommen hatte. Angulimalo, der große Sünder und Frevler, hatte nun als Jünger des Erhabenen einen weiten und anstrengenden Läuterungsweg - aber am Ende gelangte er noch in diesem Leben zum Heilsstand. Vom Mörder zum Geheilten - das stand über seinem Leben. Vom magiebegabten Mönch zum Mörder - das stand über Devadattos Leben. Nicht wie man beginnt, sondern zu welcher Herzensverfassung man am Ende des Lebens gelangt ist, das ist entscheidend.

Die zwanzigste Regenzeit verbrachte der Buddha in Rajagaham, und dort spielte sich ein wichtiges Ereignis ab, die Berufung Anandos:

In den ersten Jahren seines Mönchstums war Anando vor allem mit seiner eigenen Läuterung beschäftigt. Er hatte in sei nem ersten Ordensjahr den Stromeintritt erreicht, in seinem achtunddreißigsten Lebensjahr. Später hatte er sich bis zu dem Zustand entwickelt, dass er kein sinnliches Begehren und Hassen mehr kannte, war also Nichtwiederkehrer geworden.

Im fünfundfünfzigsten Lebensjahr Anandos und des Buddha ließ dieser eine Mönchsversammlung einberufen und erklärte: ln den ersten zwanzig Jahren seines Asketenlebens als Vater des Ordens habe er die verschiedensten Mönche als Aufwärter gehabt: Meghiyo, Nagasamalo, Nagito, Sagato, Upavano, Mahacundo, Sunakkhatto. Mit Ausnahme des Letzteren wurden sie Geheilte, von denen Verse in den "Liedern der Mönche" enthalten sind, abgesehen von Sagato, der wiederum der einzige ist, der als eine der Spitzen der Jüngerschaft genannt wird. Diese sechs Aufwärter aber hätten, obwohl sie Geheilte waren oder wurden, nicht das Ideal eines solchen persönlichen "Adjutanten" des Erwachten ausgefüllt. Nachdem nun der Orden konsolidiert sei und nachdem er fünfundfünfzig Jahre alt geworden sei, wäre es an der Zeit, dass er einen in jeder Hinsicht idealen und für seine Aufgabe geeigneten Aufwärter, "Sekretär" und Adjutanten erhalte. Sofort erhob sich Sariputto und erbot sich hierzu. Ebenso baten die anderen berühmten Mönche, der Meister möge sie für diese Aufgabe erwählen. Doch der Buddha nahm ihr Anerbieten nicht an, obwohl sie alle Geheilte waren. Da richteten die großen Mönche ihren Blick auf Anando, der sich nicht gerührt hatte, war er doch noch kein Geheilter. Sie baten ihn, er möge sich freiwillig melden, dies Amt sei ihm geradezu auf den Leib zugeschnitten, er sei dafür wie prädestiniert. Gefragt, warum er sich als einziger der Anwesenden nicht gemeldet habe, erwiderte er, der Erhabene wisse doch selber am allerbesten, wer sich für dieses Amt eignen würde. Er vertraute dem Buddha so sehr, dass er gar nicht auf den Gedanken kam, einen eigenen Wunsch zu äußern, obwohl er den Wunsch hatte. Da erwiderte der Erwachte, Anando sei ihm genehm: Er wünsche ihn, und zwar nur ihn, zum Aufwärter. Ein normaler Mensch und Mönch wäre hier sicher stolzgeschwellt geworden, dass der Meister ihn den größten Jüngern vorgezogen hatte. Von Anando aber wusste der Meister, dass er nicht stolz würde, obwohl er als Nichtwiederkehrer noch nicht frei von jeder Dünkensfessel (mano-samyojana) war. Anando stellte nun sogar einige Bedingungen:

1. Der Meister möge nie ein Gewand, das ihm geschenkt wurde, an Anando weitergeben.

2. Er möge von Almosen, das ihm gespendet wurde, nichts an Anando weitergeben.

3. Er möge die ihm gewährte Unterkunft nicht auf Anando ausdehnen.

4. Er möge eine an ihn persönlich ergangene Einladung nicht auf Anando erstrecken.

5. Vielmehr bäte Anando, wenn er eingeladen würde, diese Einladung auch auf den Buddha erstrecken zu dürfen.

6. Wenn Menschen von auswärts kämen, um den Buddha zu sehen, bäte er darum, sie zu ihm führen zu dürfen.

7. Wenn ihn, Anando, irgendein Zweifel oder eine Lehrfrage bewege, bäte er um die Erlaubnis, sie jederzeit dem Buddha vorlegen zu dürfen.

8. Wenn der Buddha einmal in seiner Abwesenheit eine Lehrrede gehalten hätte, bäte er um das Privileg, dass der Buddha sie ihm wiederhole.

Zur Begründung führte er aus: Wenn er nicht die vier ersten Negativbedingungen stelle, würden die Leute sagen können, er wäre nur um materiellen Gewinns willen in den Schatten des Buddha getreten. Wenn er aber nicht die anderen Bedingungen stelle, dann könne man mit Recht von ihm sagen, dass er sein eigenes Heil um anderer Dinge willen vernachlässige.

Der Buddha gewährte ihm selbstverständlich diese acht Wünsche, die ganz und gar aus dem Geist der Lehre geboren waren, und so wurde er jetzt für fünfundzwanzig Jahre der Aufwärter des Buddha, sein Helfer und ständiger Begleiter. Er besaß sieben Segnungen: Herankommen an die Lehre, Zugang zu ihr, früher geschaffene Veranlagung, Fragen nach dem eigenen Heil, Bleiben auf der Furt zum Nirvana, auf die Herkunft gerichtete Aufmerksamkeit, ständiger Umgang mit einem Erwachten.

 

Quelle: Das Leben des Buddha, von Hellmuth Hecker.

 

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