Die Gründung des Nonnenordens.

 

Zurück

 

Zum nächsten Kapitel

 

Als die vielen jungen Sakyer in den Orden eingetreten waren, fühlten sich deren Ehefrauen sehr elend und verlassen. Sie hätten gern auch das religiöse Leben gewählt. Als deren Fürsprecherin ging daher die Stiefmutter des Buddha, Königin Mahapajapati, zu ihm und bat, dass er auch Frauen gestatten möge, vom Hause fort in die Hauslosigkeit zu ziehen. Der Erwachte aber lehnte diese Bitte ab, und zwar dreimal. Da wurde seine Stiefmutter sehr traurig. Bekümmert und voll Tränen verabschiedete sie sich ehrerbietig und verließ das Feigenbaumkloster von Kapilavatthu, in dem Nando und Rahulo Aufnahme in den Orden gefunden hatten. Als sie dann nach dem Tod ihres Gatten, des Königs Suddhodana, ebenfalls ganz allein stand, da beschloss sie, noch einmal alles zu versuchen. Zusammen mit den anderen Frauen legte sie fahle Gewänder an, schnitt die Haare ab und wollte so auf eigene Faust ein Pilgerleben führen. Als der Buddha nach Vesalí zurückgekehrt war, folgte sie ihm mit ihrer Schar, bei welcher auch Yasodhara, die Frau des Bodhisattva, und Nanda, seine Schwester, sich befanden. Nach und nach kam sie nach Vesali und begab sich zum Großen Walde, zur Halle des Giebelhauses. Mit geschwollenen Füßen und staubbedeckten Gliedern, voller Schmerz und Trübsal, weinend tränenüberströmten Antlizes stand Mahapajapatí, die Gotamidin, vor dem Toreingang (Anguttara Nikaya VIII, 51).

Dort erblickte Anando sie und fragte mıtleidig, was mit ihr sei. Als er hörte, dass der Buddha keinen Nonnenorden gründen wollte, machte er sich zu ihrem Fürsprecher und trug ihm ihre Bitte als die seine vor. Der Erwachte aber erwiderte: "Lass es gut sein, Anando. Mögest du es nicht gutheißen, dass Frauen unter der vom Vollendeten verkiindeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit ziehen." Und zum zweiten und dritten Mal richtete Anando seine Bitte vergeblich an den Erhabenen. Da versuchte Ananda, auf andere Weise seiner Bitte Gehör zu verleihen. So fragte er: "Ist wohl, o Herr, eine Frau, wenn sie unter der vom Vollendeten verkiindeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit zieht, imstande, die Frucht des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr, den Heilsstand zu verwirklichen?" Als der Erwachte dies bejahte, da bat Anando, dass er den Frauen doch diesen größten Gewinn nicht vorenthalten möge: "Wenn nun also, o Herr, Frauen dazu imstande sind und weil ja auch Mahapajapati dem Erhabenen große Dienste erwiesen hat, seine Tante ist, seine Erzieherin und Ernährerin war, die den Erhabenen nach dem Tode seiner Mutter mit ihrer eigenen Milch stillte - daher wäre es gut, wenn der Erhabene es den Frauen gestartete, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen." Darauf erwiderte der Buddha, dass eine Frau ordiniert werden könne, wenn sie acht Dinge als gewichtige Verpflichtung auf sich zu nehmen bereit sei, die als Grundgesetz für den Nonnenorden zu gelten hätten, nämlich:

1. Eine Nonne soll, auch wenn sie schon vor hundert Jahren die Weihe erhalten hat, einen erst am selben Tag geweihten Mönch ehrerbietig begrüßen, sich vor ihm erheben, die Hände zusammenlegen und Achtung erweisen.

2. Keine Nonne soll die Regenzeit an einer Stätte verbringen, wo kein Kontakt mit dem Mönchsorden besteht.

3. Alle vierzehn Tage hat die Nonne die Mönchsgemeinde um einen Befrager für den Uposatha-Tag und den Besuch eines Unterweisers zu bitten.

4. Nach Ende der Regenzeit hat sich jede Nonne beiden Orden, den Mönchen und den Nonnen, zur Kritik zu stellen, zum Pavarana.

5. Wenn eine Nonne ein schweres Vergehen begangen hat, so soll sie nicht nur wie ein Mönch sechs Tage, sondern vierzehn Tage lang Sühne tun, und zwar gegenüber beiden Ordensgemeinden.

6. Bevor eine Frau die Nonnenweihe erhält, hat sie sich zwei Jahre lang in den fünf Silas (dabei volle Keuschheit) und dem Nur-morgens-Essen zu üben. Danach sollen beide Orden die Weihe aussprechen.

7. Eine Nonne darf unter keinen Umständen einen Mönch beschimpfen und kritisieren.

8. Eine Nonne darf niemals einen Mönch von sich aus ansprechen und ihn etwas fragen, sondern muss warten, bis sie angesprochen wird.

Anando ging daraufhin zu Mahapajapati, die sofort diese Regeln auf sich nahm und damit die erste buddhistische Nonne wurde: Die Annahme der Punkte wurde vom Buddha als Weihe angesehen. Damit war die vierte und letzte Versammlung des Buddha begründet. Die Versammlungen der Mönche, Anhänger und Anhängerinnen waren schon vor fünf Jahren in Benares gebildet worden. Jeder bisherige Buddha aber hatte alle vier Versammlungen. Er gründete also schließlich auch einen Nonnenorden.

Nachdem Mahapajapati Nonne geworden war, sprach der Buddha zu Anando. Hätten die Frauen nicht die Erlaubnis erhalten, einen Orden zu bilden, so würden Reinheitswandel und gute Lehre noch tausend Jahre fonbestehen; so aber werde diese Zeit halbiert und die reine Nachfolge nur fünfhundert Jahre lang bestehen. Diese Prophezeiung erfüllte sich genau: Um die Zeitenwende spaltete sich der Orden und verlor dadurch seine ursprüngliche Kraft. Und nachdem die Existenz des Nonnenordens die Dauer der reinen Nachfolge halbiert hatte, starb der Nonnenorden dann völlig aus, und seither gibt es im Theravado keinen Nonnenorden mehr.

Der hier beschriebene Vorfall rührt manche Fragen auf: Warum lehnte der Buddha zuerst ab und gab schließlich doch nach? Warum gründen alle Buddhas doch einen Nonnenorden? Warum drängte Anando den Buddha trotz dreimaliger Ablehnung? Warum begründete der Buddha seine Ablehnung weder gegenüber seiner Stiefmutter noch gegenüber Anando gleich mit der Gefährdung des Ordens als ganzem? Warum genügten diese acht zum Teil demütigend erscheinenden Regeln doch nicht, um den nachteiligen Einfluss auszuschalten? Alle solche Fragen lassen sich wie folgt beantworten: Der Buddha gab erst dann, wenn die Wünsche der Menschen sehr drängten, ihnen so weit nach, wie es vertretbar war. Der ganze Vinaya ist voll von solchem Nachgeben unter gleichzeitiger Sicherung der Grenzen und der Disziplin. Der Buddha gab sozusagen mit einer Hand etwas, das er mit der anderen Hand eingrenzte, errichtete also gleichzeitig einen Damm. Hätte er nicht die ehrlichen asketischen Wünsche der Sakyerinnen in geordnete Bahnen gelenkt und sie nicht einer strengen Disziplin unterstellt, so wäre es zu unerfreulichen Selbsthilfeaktionen und einem ungeregelten Pilgerleben gekommen, das mehr Schaden als Nutzen für die Frauen gehabt hätte. Darum war es bei diesem Stand der Dinge noch das "kleinere Übel", einen Nonnenorden zu gründen. Dabei wusste der Erwachte als der tiefste Seelenkenner um diejenigen Charakterzüge von Männern und Frauen, die das Aufrichten eines Dammes mit den acht Regeln nötig machten.

Während der Buddha Anando keinerlei Vorwurf machte, wurde doch von den Mönchen nach dem Tod des Buddha ein solcher Vorwurf erhoben. Anando erklärte - inzwischen war er ein Geheilter - er sei sich auch jetzt keines Fehlers bewusst - schließlich hatte er nur den Buddha zu dem bewogen, was alle Buddhas endlich doch tun. lm Anschluss an die Gründung des Nonnenordens gab der Buddha noch weitere Regeln: Pajapati und ihre fünfhundert Nonnen brauchten keine Probezeit zu machen. Ein Mönch aber dürfe niemals eine Nonne grüßen, auch wenn sie viel älter sei.

Bald erreichten die Stiefmutter, die vormalige Ehefrau und die Schwester des Buddha den Heilsstand, ebenso manche anderen der fünfhundert Sakyernonnen.

Nachdem in der fünften Regenzeit in Vesalí der Nonnenorden begründet worden war und seine Regeln erhalten hatte, verbrachte der Buddha die sechste Regenzeit an einem stilleren Platz, in der Mankula-Grotte. Damals hatte ein Mönch namens Pindolo-Bharadvajo sieh hínreißen lassen, in der Öffentlichkeit seine magischen Fähigkeiten (Levitation) sehen zu lassen. Das Volk lärmte und erfreute sieh der Sensation. Der Buddha rief die Mönche zusammen und tadelte sie herb: Wenn ein Mönch derart die Sensationslust der im Hause Lebenden befriedige, dann sei es nicht viel anders als bei einer Dirne, die siech für ein paar Münzen entblöße. Künftig dürfe kein Mönch vor Hausnern Wunder zeigen.

Als die andersfährtigen Pilger jenes Verbot gehört hatten, frohlockten sie und dachten, jetzt würde kein buddhistischer Asket sie mehr durch Wunder übertreffen können. Der Buddha aber dämmte ihren Übermut ein, indem er ihnen selber ein Wunder zeigte. Das eigentliche Wunder aber, betonte er auch hierbei, sei das Wunder der Belehrung.

Die siebente Regenzeit verbrachte der Erwachte nicht auf Erden. Sieben Jahre vor seiner Erwachung war er von seiner Heimat fortgepilgert, sieben Jahre nach seiner Erwachung erfüllte er noch eine Dankesschuld gegenüber demjenigen Wesen, das bisher von seiner Familie noch nicht in den Genuss der Lehre gekommen war. Das war seine leibliche Mutter. Sie war sieben Tage nach der Geburt ihres Kindes gestorben und in himmlischer Welt erschienen. Und dorthin begab sich nun der Erwachte, nachdem er auf Erden alle vier Versammlungen begründet und befestigt hatte. Jetzt konnte er für vier Monate den Orden der Führung der Geheilten überlassen. In dieser siebenten Regenzeit legte er seiner Mutter und zahlreichen Göttern im Himmel ausführlich die Lehre dar und eroberte sozusagen auch das Jenseits für die Erlösungslehre. Der König des "Götter der Dreiunddreißig“ genannten Götterbereiches, Sakko, der schon seit sieben Jahren Stromeingetretener war, überließ dem Erwachten seinen Sitz unter dem Himmlischen Korallenbaum, um die Lehre zu verkünden. Und der Erwachte blieb solange dort, bis auch seine Mutter den Stromeintritt gewann und sie durch seine Hilfe das unverlierbare höchste Gut gewonnen hatte (Jataka 483 E).

Nach dieser Episode erschien der Erwachte wieder in Savatthí und nahm seine Wohnung wieder in der Gandha-kuti. Da nun ereignete sich Folgendes: Die andersfährtigen Pilger, die durch das oben erwähnte Wunder des Buddha viel an Ruhm eingebüßt hatten, hatten gehofft, dass der Buddha gestorben sei, als er vier Monate lang verschwunden war. Nun waren sie über seine Rückkehr sehr enttäuscht. Denn bald hatte sich herumgesprochen, wo der Buddha geweilt hatte, so dass sein Ruhm noch mehr zunahm. Da beratschlagten sie, wie sie dem Einhalt gebieten könnten. Damals lebte in Savatthi eine junge brahmanische Pilgerin namens Cinca, die von außergewöhnlicher Schönheit war. Sie glich einem Göttermädchen und von ihrem Leib schienen Strahlen auszugehen. Da gab einer der Pilger den bösen Rat, Cinca zu benutzen, um durch sie den Buddha zu verleumden. Sie erklärten ihr zuerst, dass sie doch nur im Schatten des Asketen Gotamo ein kümmerliches Dasein führten. Sie sah das ein und fragte, was man dagegen tun könne. Da sagte man ihr, wenn sie ihnen wohlgesonnen sei, dann möge sie den Asketen Gotamo in Schande und schlechten Ruf bringen. Sie war dazu bereit, und es bereitete ihr eine diabolische Freude, mit List und Tücke ein Lügengewebe zu spinnen. Sie begab sich öfter und auffällig zum Siegerwaldkloster. Gefragt, was sie dort wolle, sagte sie, das ginge niemanden etwas an. Sie blieb dann die Nacht über auf dem Gelände. Auf die Frage, wo sie die Nacht verbracht habe, erwiderte sie wieder, das ginge niemanden etwas an. Erst nach sechs Wochen begann sie, scheinbar zögernd, allmählich auf den Buddha hinzudeuten, und schließlich tat sie, als sei sie gedrängt, zuzugeben, dass sie die Nacht in der Gandha-kutí geschlafen habe. Dadurch erweckte sie bei den noch nicht Sicheren erste leise Zweifel an der Lauterkeit des Buddha. Nach einigen weiteren Monaten umwickelte sie ihren Leib mit vielen Tüchern und gab sich das Aussehen einer Schwangeren. Auch sagte sie, dass der Asket Gotamo sie verführt habe. Nach acht bis neun Monaten band sie um ihren Leib ein Bündel Holz, ließ sich Hände und Füße schlagen, so dass sie anschwollen, und tat sehr erschöpft - so imitierte sie eine Hochschwangere.

Bevor sie dann verschwinden wollte, ging sie in ihrem Übermut in die Lehrhalle des Klosters und spielte wie eine grandiose Schauspielerin die Rolle der verlassenen Geliebten. Sie klagte den Meister offen an, sie trage von ihm ein Kind, und er wolle nur Lust, weigere sich aber, für das Kind die Sorge zu übernehmen. Als sie diese pathetische Rede beendet hatte, erwiderte der Erhabene: ”Schwester, ob das von dir Gesagte wahr ist oder nicht, das wissen doch nur du und ich." ”Gewiss Asket." In diesem Augenblick aber rissen die Schnüre, ein Windstoß hob ihr Gewand, und das Bündel fiel herunter und zerschlug ihr die Zehen. Die empörten Laien konnten nicht an sich halten: Sie spieen sie an und jagten sie mit Stöcken aus dem Kloster. Sobald sie außer Sehweite des Buddha gekommen war, barst die Erde, die sie nicht mehr tragen konnte, und verschlang die Frevlerin. (Jataka 472E) Unter den fünf Personen, die bei Lebzeiten des Buddha lebendigen Leibes wegen ihrer Frevel von der Hölle verschlungen wurden, ist sie die einzige Frau. Die vier anderen waren: Devadatto, Suppabuddho (Schwager und Schwiegervater des Buddha), von denen noch später die Rede sein wird; ferner Nando, der die Nonne Uppalavanna vergewaltigte (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Halbbruder des Buddha) und ein Yakkho, der auf Sariputto einschlug, um ihn umzubringen.

Der Grund, warum der Buddha noch diese harte Verleumdung, die erste und schwerste, erleben musste, wird in Apadana Nr. 387 wie folgt angegeben: Einstmals in einem früheren Leben vor sehr langer Zeit war der Bodhisattva in einer niederen Kaste geboren worden und verfiel niederer Gesinnung. Als er einmal einen Einzelerwachten sah, schalt er ihn als niedrig und unmoralisch. Diese Tat gegen den Buddha kam jetzt auf ihn zurück als jene Verleumdung der Cinca, die ihn erniedrigen sollte. Aber er war inzwischen untreffbar geworden.

Die nächste, die achte Regenzeit verbrachte der Buddha im Land der Bhagger. Dort nahm ein edles Ehepaar, die Hausleute Nakula, bei ihm Zuflucht. Zu dem Mann sagte der Buddha, als jener krank war und seine Frau ihre Umsicht und Größe bewiesen hatte:

"Heil dir. Hausvater. Gut hast du es getroffen, dass du in Mutter Nakula eine so fürsorgliche, auf dein Wohl bedachle Ermahnerin und Unterweiserin gefunden hast..."

Die Eheleute Nakula bezeichnete der Buddha später als die Spitzen der Jüngerschaft in gegenseitiger Zuneigung. (Anguttara Nikaya I, 19)

So waren es in diesen drei Jahren drei Frauen, die im Vordergrund der Berichte stehen: die engelhafte Mutter des Buddha im Himmel; die gleißend schöne Verleumderin, die geradewegs zur Hölle ging; die ideale Ehefrau, die auf Erden sicher in der Lehre stand.

 

Quelle: Das Leben des Buddha, von Hellmuth Hecker

 

Weiter