Das Verhältnis des Buddha zu den Menschen seiner Zeit.

 

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In Indien herrschte zur damaligen Zeit streng das Kastenwesen. Wenn man im Abendland von indischen Kasten hört, dann reagiert man mehr oder weniger allergisch mit verschiedensten Aversionen. Das hängt zum einen damit zusammen, das man nur die Auswüchse und Verzerrungen im Auge hat. Zum anderen besteht die europäische Sozialgeschichte seit dem Verfall des religiösen Weltbildes in einer zunehmenden Nivellierung.

Die vier Stände des Abendlandes (Klerus, Adel, Bürgertum, Proletariat) entsprechen den vier indischen Kasten (Brahmanen, Krieger, Bürger, Diener).

Nach der brahmanischen Kosmologie und Mythologie sind die vier Kasten aus dem Gott Brahma entsprungen. Der Buddha aber hat den Scheinursprung widerlegt und auch den wahren Ursprung der Kasten aufgezeigt. Er schildert dies in Digha Nikaya 27 in der Rede über die Geschichte der Menschheit seit dem Beginn dieses Weltzeitalters als eine Verfallsgeschichte. Damit wird auch klar, dass der Buddha kein Sozialreformer war, als der er manchmal angesehen wird. Dies ist eine Fehlinterpretation.

In Anguttara Nikaya VI, 52 beschreibt der Buddha die drei oberen Kasten wie folgt: Alle drei streben in der Welt nach Besitz und Reichtum und alle drei trachten auch nach Weisheit. Die Unterschiede bestehen darin: Die Adeligen stützen sich auf die Krieger, die Brahmanen auf die Macht ihrere Sprüche (Mantras), die Bürger auf ihre Berufskenntnis; die Adligen sind gewöhnt an das Denken an den Erdenkreis (Politik), die Brahmanen an Opfer, die Bürger an Arbeit; Ziel der Krieger ist Herrschaft, der Brahmanen die Brahmawelt, der Bürger Feierabend. Die Asketen dagegen, jenseits der vier Kasten, streben nach Geduld und Sanftmut, trachten nach Weisheit, sützen sich auf die Tugend, gewöhnen sich an Armut, und ihr Ziel ist das Nirvana. Die vierte Kaste wird hier, wie so oft, nicht besonders genannt: Dafür ist die dritte Kaste hier unter dem umfassenden Begriff "Haushaber" aufgeführt, der auch die vierte Kaste mit umgreift. Die Kastenlosen (Paria) waren damals noch nicht so ausgeprägt. So bezeichnete man Angehörige von Völkern und Stämmen, die die Hindu-Zivilisation noch nicht angenommen hatten, d.h. alle die, die fremden Völkern angehörten.

Aus den Angehörigen der unteren Kaste gingen nicht wenige Geheilte hervor. Sie haben andere Schwierigkeiten als Wohlhabendere und Angesehene, aber sie haben die gleiche Chance. Upali (der Barbier) wurde später ein wichtiger Mönch des Buddha als Kenner und Bewahrer der Ordensregeln. Und auch Panthako, eine Nonne (die hagere Gotami) kam aus diesem Stand.

Die Bürgerkaste schließt insbesondere die Bauern ein, aber auch die Großgrundbesitzer. Es gehören alle Kaufleute, Bürgervorsteher und Gildemeister, die angesehenen und reichen Bürger ebenso wie auch ärmere Bürgerliche. Die Lehre wurde weit mehr von Bürgern verstanden als von der Dienerkaste. Von der Dienerkaste machten nur sehr wenige von der ihnen vom Buddha eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Kastenschranken zu überschreiten und Mönch zu werden, obwohl sie am wenigsten zu verlieren hatten, und auch wenige wurden Anhänger; dagegen rekrutierte sich das Gros der buddhistischen Anhänger aus dem Bürgerstand, und viele von ihnen wurden Mönche, besonders gerade die Reichsten. Es ist ein psychologisches Faktum, dass der Diener, der im Entbehren lebte, vor lauter Existenznot meist weniger geneigt war, die Lehre zu hören und sich innerlich anzustrengen. Wer dagegen die Fülle hatte und sich fragte, ob die Fülle auch bleiben könne, der war für die entscheidenden Fragen der Lehre oft eher offen. Unter den fünfundsiebzig Spitzen der Jüngerschaft kam die weitaus größte Gruppe aus der Bürgerkaste.

Das Verhältnis des Buddha zu den Bürgern wird vorzugsweise durch die Belehrung über das rechte Genießen als Stufe zum höheren Genießen bestimmt. Vier Dinge seien in der Welt schwer erlangbar, sagte der Buddha: Dass einem rechtmäßig Reichtum erwächst, Ehre, langes Leben und himmlische Wiedergeburt. Diese vier erwünschten, erfreulichen, angenehmen Umstände, die aber schwer in der Welt erlangbar sind, würden durch vier Eigenschaften erreicht, nämlich durch Bewährung in Vertrauen, Tugend, Freigiebigkeit und in Weisheit. Auch über die Ehe äußerte er sich. Die Frage, wann zwei liebende Gatten sich im nächsten Leben wiedersehen könnten, wies er nicht etwa ab, sondern er gab zur Antwort: Wenn sie sich im Vertrauen, Freigiebigkeit und Weisheit bemühen.

In einer ganzen Reihe von Reden gab der Buddha Anathapindiko gute Ratschläge für einen buddhistischen Bürger. Der Buddha ermahnte die Bürger auch zur Toleranz. Zwei ehemalige Unterstützer der Jinas, die seine Anhänger geworden waren, bat er, sie möchten jenen anderen Asketen, denen sie lange ihr Haus geöffnet hätten, auch weiterhin spenden und nicht abrupt die Tür weisen.

Die Krieger entsprechen bei uns den früheren Adeligen. Es sind die Menschen, deren Anlage und Beruf es war, zu führen, zu schützen, zu herrschen und voranzugehen. Die Krieger waren das, was wir heute die führende Schicht nennen.

Die Kriegerkaste ist dadurch ausgezeichnet, dass die ganz überwiegende Zahl aller Vollkommen Erwachten aus ihr stammt und dass auch alle Weltbeherrscher (Kaiserkönige) aus ihr kommen. Unter den Spitzen der Jüngerschaft findet sich allerdings nicht, wie man erwarten könnte, eine Mehrheit von Menschen aus der Kriegerkaste, sondern es sind von fünfundsiebzig nicht mehre als siebzehn, so wie zum Beispiel der ehrw. Anando.

Der Buddha wies auch die Fürsten und Könige seiner Zeit besonders auf die bis heute völlig vergessene und belächelte Tatsache hin, dass von der Tugend oder Untugend des Herrschers das Geschick des ganzen Landes abhänge.

Menschen, die sich als Soldaten oder Beamte zu Königsdienst verpflichtet hatten, wurden ohne die Genehmigung des Herrschers nicht zum Orden zugelassen, womit der Buddha die Staatshoheit respektierte.

Das Verhältnis des Buddha zur Brahmanenkaste, zu den Priestern, ist für uns am schwersten zu verstehen, weil es eben bei uns kaum noch eine Priesterschaft gibt und wenn, dann in weltliche Dinge verstrickt. Der Stand der Brahmanen Indiens war aber der Stand, dem die Religion Beruf war. So gesehen war diese Kaste geradezu für die Lehre prädestiniert. Die ersten und die meisten Männer, die in den Orden kamen, waren asketische Brahmanen, wie die fünf verbündeten Mönche, wie die tausend Jünger der Kassapiden, wie die zweihundertfünfzig Freunde Sariputtos usw.

Andererseits gab es gerade zwischen dem Buddha und den Brahmanen die meisten geistigen Auseinandersetzungen, die meisten Kontroversen und Probleme. Die Brahmanen sahen den Buddha als Konkurrenten an und als Neuerungssüchtigen. Sie vertraten den konservativen Standpunkt, und für sie war Buddha ein Revolutionär, der ihre jahrhundertealte Überlieferung gefährdete.

Der Erwachte enthüllte viele Fragen, die auch heute noch Philosophen und Theologen beschäftigen, als Scheinprobleme und führte die Frager immer wieder überhaupt erst zum Verständnis wahren Brahmanentums als Sockel für jene Lehre, die nur dem Vollendeten eigen ist.

Der Stand, der die vier Kasten überwindet, das ist der Asketenstand. Die haus- und besitzlosen Pilger, die das Asketentum gewählt hatten, zogen damals, wie auch teilweise heute noch, zu Tausenden über die Straßen Indiens. Unter ihnen waren alle Grade von Menschen. Unter den Spitzen der Jüngerschaft werden sechs frühere Pilger genannt, darunter immerhin die drei größten Jünger Sariputto, Mahamoggallano, Mahakassapo. Im Kanon wird sehr häufig berichtet, wie der Erwachte morgens vor dem Almosengang zu den Klöstern und Gärten der andersfährtigen Pilger ging und mit ihnen diskutierte. So nahm sich der Buddha der Pilger, die gleich ihm ausgezogen waren, den Frieden zu suchen, in sehr vielfältiger Weise an.

 

Quelle: Das Leben des Buddha, von Hellmuth Hecker.

 

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