Der Buddhismus in der Russischen Föderation.

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Nach dem Zerfall des mongolischen Khanates im 15. Jahrhundert wurde vom kalmückischen Khan der Beitritt Kalmückiens zum Russischen Reich durch ein Abkommen besiegelt. 1609 wurde das Kalmückische Khanat gegründet und 1618 erhielten sie von Zar Michail Fjodorowitsch eine Urkunde über die "gnädige Aufnahme in die russische Staatsbürgerschaft". Die Kalmücken (wörtl. "die Abgesonderten") unterschieden sich von den sie umgebenden Völkern durch ihr Aussehen, ihre Sprache, ihre Lebensform (Nomaden) und ihre Tibetisch-Buddhistische Religion. In den Jahren 1628-1630 siedelten sie ins Wolgagebiet über, dazu zum Schluss dieses Kapitels mehr.

Einige Jahre später verleibte sich der Russische Staat durch Verträge von 1668 und 1728 einen Teil der Bevölkerung und des Territoriums der Mongolei  ein, wodurch die Gebiete auf beiden Seiten des Baikalsees von der Mongolei getrennt wurden. Die Burjaten wurden dadurch eine mongolische Ethnie in Sibirien. Burjatien wurde das Zentrum des tibetisch geprägten Vajrayana-Buddhismus in Russland. 1741 wurde der Tibetische Zweig des Buddhismus in Russland offiziell als Religion anerkannt, und das erste buddhistische Kloster wurde gebaut. Auch die Tuwiner bekannten sich überwiegend zum Tibetischen Buddhismus. Sie siedelten in Süd-Sibirien.

Im Gebiet der Kalmücken lebte in den Jahren 1804-1806 Isaak Jakob Schmidt, dessen Arbeiten zur Grundlage der Tibetologie im russischen Reich wurden. Von Schmidt stammt die erste Übersetzung eines kanonischen Textes des Mahayana-Buddhismus in eine europäische Sprache: 1837 veröffentlichte er in St. Petersburg eine französische Fassung des Vajracchedika-prajna-paramita-Sutra.

Der russische Sinologe und Buddhologe Wassili Pawlowitsch Wassiljew veröffentlichte in den Jahren 1857-1869 seine Arbeit: Der Buddhismus, seine Dogmen, Geschichte und Literatur.  Dieses Werk ist eine Übersetzung des Samayabhedopacakra von Vasumitra. Es war bahnbrechend für die Buddhologie und diese russische Version wurde auch ins Deutsche (St. Petersburg, Eggers 1860) und aus dem Deutschen ins Französische (Le Bouddisme, ses dogmes, son histoire et sa littérature; Paris 1865) übersetzt.

Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war die russische Regierung noch bestrebt, ihre buddhistischen Untertanen von jeder Verbindung mit Tibet fernzuhalten. Mit dem Toleranz-Edikt von 1905 und der Neuorientierung der russischen Asienpolitik trat eine völlige Richtungsänderung ein. Es brachte für die Buddhisten wirkliche Freiheiten. In der Zeit danach spielte der in Russland geborene buddhistische Mönch der Gelugpa-Schule, Agvan Dorzhiev (1854-1938), eine wichtige Rolle. Er betrachtete eine innige Verknüpfung der Interessen Tibets und der Mongolei mit denen Russlands als seine Lebensaufgabe. Er lebte im Ganden-Kloster in Urga (Ulan Bator) und studierte auch in Lhasa, der Hauptstadt Tibets.

Die russische Regierung gestattete in dieser Zeit den Tibetischen Buddhisten, ihr Oberhaupt, den Dalai Lama, in Tibet zu besuchen und Kaiser Nikolaus II. sandte sogar ein Telegramm an den Dalai Lama, in dem es hieß: "Ich freue mich, dass meine Untertanen den heilsamen geistigen Einfluss Eurer Heiligkeit haben genießen können."

Agvan Dorzhiev reiste nicht nur nach den großen Verkehrszentren Russlands, sondern auch nach Paris, Berlin, Wien und Rom. Seine so umfassende Fachbildung und seine vielen erworbenen Kenntnisse versuchte er für seine Glaubensbrüder in Burjatien und Kalmückien einzusetzen. Mit viel Mühe und Zeit gelang es ihm sogar, den Bau eines buddhistischen Tempels in Sankt Petersburg zu erwirken. Der Gunsetschoinei-Dazan ist eine ausgedehnte Tempelanlage und der nördlichste buddhistische Tempel in Russland. Die erste religiöse Feier wurde hier 1913 abgehalten, 1915 wurde der Bau fertiggestellt. 1937 wurde er geschlossen und erst 1989 wieder als Tempel verwendet. Es gab einige hervorragende buddhistische Gelehrte, insbesondere Theodor Stcherbatsky, den Verfasser von Buddhist Logic. Im Jahre 1923 wurde das erste Zentrum für buddhistische Studien in Europa ebenfalls in St. Petersburg begründet. Es hörte 1938 auf zu existieren.

Nach der Oktoberrevolution in Russland wurden nach und nach Klöster geschlossen. 1930 hörte die buddhistische Glaubensgemeinschaft auf zu existieren, und Tausende von kulturellen Schätzen wurden zerstört. Bemühungen, die Organisation des Buddhismus wiederzubeleben, setzten während des zweiten Weltkrieges ein, woraufhin sie 1946 wieder gegründet wurde. Ein wirkliches Wiederaufleben des Buddhismus fand in den späten 1980er Jahren statt.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es im Westen der Mongolei zu einer politischen und wirtschaftlichen Krise, bedingt durch innere Kämpfe und den Druck der Ostmongolen, welcher zum Verlust von Weideland führte. Einige Fürsten sahen den einzigen Ausweg darin, neue Weidegebiete zu suchen. Sie begannen mit ihren Völkern nach Westen zu wandern. Der Weg führte sie bis nach Europa, in das Gebiet nördlich und nordwestlich des Kaspischen Meeres. Aus ihrer Heimat brachten die Kalmücken natürlich ihre Religion mit, den Tibetischen Buddhismus der Gelugpa-Richtung.

Erste ausführliche Nachrichten über den kalmückischen Buddhismus, die zugleich früheste Darstellungen des tibetisch-mongolischen Buddhismus im Westen überhaupt waren, sind den deutschsprachigen Werken der Forschungsreisenden Peter Simon Pallas (1741-1811) und Benjamin Bergmann (1772-1856) zu verdanken.

Die Religion prägte bis zur religiösen Unterdrückung während der Sowjetzeit das gesamte öffentliche und private Leben der Kalmücken und hatte auch einen starken Einfluss auf die Politik.

Kalmückien ist seit 1992 eine autonome Republik im südlichen Teil des europäischen Russlands. Es ist die einzige Region in Europa, in der der Buddhismus die vorherrschende Religion ist. Ein großer buddhistischer Tempel, der Goldene Tempel für Buddha Shakyamuni, wurde in Elista, der Hauptstadt Kalmückiens, am 27. Dezember 2005 eingeweiht.

 

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