Der Theravada-Buddhismus in Sri Lanka.

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Die Betrachtung der Verbreitung der Buddha-Lehre in den Theravada-Ländern hat von Sri Lanka auszugehen.

Die Ordensregel (vinaya) ist das Leitprinzip des buddhistischen Sangha. Im Theravada-Buddhismus kommt ihr jedoch noch eine weiter Bedeutung zu, und dies zeigt eine wesentliche Veränderung. Im alten Indien war die Ordensregel noch als Teil des geistigen Weges kodifiziert worden. Sie war allein für buddhistische Asketen bedeutsam. Aber dann vollzog sich ein Wandel: Als der Buddhismus nach Ceylon gelangte - es ist unmöglich, diesen Prozeß in allen Einzelheiten zu verfolgen - , wurde die Ordensregel zum Leitprinzip einer etablierten Religion. Deshalb hat Heinz Bechert das alte Ceylon als einen der ältesten Nationalstaaten mit gemeinsamer Religion, gemeinsamer Sprache, gemeinsamer Kultur und gemeinsamen Staatswesen innerhalb eines einzigen Territoriums charakterisiert. Noch heute sind die Bewohner von Sri Lanka in ihrer Mehrheit singhalesische Buddhisten.

Die Überlieferung über die Mission des Buddha-Mönches Mahinda in der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. beruht auf drei erhalten gebliebenen Berichten, alle in Pali verfasst. Der älteste Bericht findet sich im Dipavamsa, ein anderer im Mahavamsa. Zeitlich zwischen beiden Chroniken steht Buddhaghosas historische Einleitung zu seinem großen Vinaya-Kommentar. Alle drei deuten auf eine nicht mehr erhaltene gemeinsame Überlieferung hin

Gemäß dieser Überlieferung brachte Mahinda vier weitere Mönche mit nach Ceylon, die er zur Durchführung höherer Ordinierung in entfernten Gegenden brauchte; sowie einen Laien und einen Novizen. 

Eine erste Begegnung fand mit König Devanampiya Tissa (ca. 247-207 v. Chr.), der mit Kaiser Asoka befreudet war, statt. Mahinda hielt dem König eine Predigt aus dem Pali-Kanon.

Dem Bericht zufolge nahm der König von Ceylon den neuen Glauben voller Begeisterung an. Mahinda wurde in die Hauptstadt Anuradhapura eingeladen und lebte dort mit seiner Gruppe für eine Regenzeit. Dabei belehrte er viele Städter und Familien. Die Belehrten machten spirituelle Fortschritte und der König gab dem Sangha als erstes Geschenk einen Park, der für ein Kloster bestimmt war. Daraus entstand dann der Maha-Vihara, das "Große Kloster". Zweifellos handelt es sich hier um das erste Kloster, das in Anuradhapura gegründet wurde.

Als der König fragt, ob nun der Sangha als etabliert gelten könne, erwidert Mahinda, dass er zwar etabliert sei, aber erst Wurzeln schlagen würde, wenn ein Singhalese, von singhalesischen Eltern geboren, auf der Insel die Robe anlege, die Ordensregeln lerne und in Ceylon rezitiere. Er erinnert den König auch daran, Reliquien zu beschaffen, weil dies nützlich sei. Der König schickte daraufhin den mit Mahinda aus Indien gekommenen Novizen, um Reliquien zu beschaffen. Mit Hilfe Kaiser Asokas erhielt er diese und darüber wurde mit entsprechendem Aufwand Ceylons erster Stupa errichtet. Bald erschien auch Asokas Tochter, die Nonne Sanghamitta, so dass der Nonnenorden gegründet werden konnte.

Die Blüte des Theravada in Anuradhapura wurde mit der Zerstörung vieler buddhistischer Heiligtümer und durch den militärischen Sieg des dravidisch-südindischen Cola-Reiches im Jahre 177 v. Chr. erschüttert. Die (hinduistischen) Colas kontrollierten in den nächsten 75 Jahren den nördlichen Teil Sri Lankas, während sich im Süden zwei buddhistische Königtümer etablierten. Aber auch im Norden erwies sich der Theravada-Buddhismus als so stark, dass die Cola-Könige den Buddhismus schließlich tolerierten und den Sangha gewähren ließen, sogar förderten. 101 v. Chr. gelang dem buddhistischen Prinzen Dutthagamani ein militärischer Schlag gegen die Colas, und die Insel wurde wiederum geeint und von Anuradhapura aus buddhistisch regiert. Durch Palastintrigen in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurde das Reich geschwächt, und erneut übernahmen südindische Herrscher (Tamilen) die Macht. Während der nächsten 15 Jahre kam es zur Verfolgung des Buddhismus: Klöster wurden aufgelöst und Mönche und Nonnen zerstreut.

Im Jahre 29 v. Chr. konnte der buddhistische König Vattagamani Abhaya eine neue Regierung und die buddhistische Lehre etablieren und in diese Zeit fällt die erste Niederschrift des Pali-Kanons der Theravadins im Kloster Alu Vihara, das im zentralen Hochland fern der Hauptstadt gelegen war. 

Man schrieb jetzt ca. das Jahr 450 nach dem Hinscheiden des Buddha. Ceylon wurde in Folge der gewalttätigen Auseinandersetzungen von einer Hungersnot heimgesucht. Zwölf Jahre lang war die Nahrung so knapp, dass die Mönchsorden teilweise dezimiert wurde. Einige der Suttas liefen Gefahr, verloren zu gehen. Mönche, die zu schwach zum Stehen waren, übten die Texte dort, wo sie lagen. Als die Hungersnot schließlich zu Ende ging, erkannte man, dass die Texte aufgeschrieben werden mussten, um besseren Schutz für sie zu gewährleisten. Nicht nur die Hungesnot, sondern auch die Gefahr häufiger Invasionen aus Südindien, der Eintritt verantwortungsloser und unreligiöser Menschen in den Orden und die flatterhafte Gunst von Königen spielten ebenfalls eine Rolle bei dieser Entscheidung. Schließlich wurde ein Konzil einberufen, bei dem dies bewerkstelligt wurde.

Der buddhistische Mönch und die buddhistische Nonne wurden in ihrer Funktion in Ceylon in der Folge zu Gestalten mit gesellschaftlichen Verpflichtungen, die das sittliche Verhalten einer ganzen Nation bestimmten. Die Könige aber spielen in der Geschichte Sri Lanks eine große Rolle bei ihren Bemühungen, den Sangha rein zu halten, d.h. dafür zu sorgen, dass er die Ordensregeln einhalte und damit der Wahrnehmung seiner Aufgaben gewachsen sei.

Die Pflicht des Mönches und der Nonne war es vor allem anderen auch, die Lehre zu bewahren. In den Jahrhunderten nach dem Konzil wurden die Texte weiterhin durch Rezitation wie auch als Manuskript aufbewahrt. Auch nur eine handgeschriebene Kopie der fünf Lehrredensammlungen, der Ordensregeln war die Arbeit vieler Jahre und dann musste das Manuskript vor den mannigfaltigen Gefahren der Vernichtung bewahrt werden. Zu dieser Zeit waren die Suttas fest verankert in den Herzen derer, die sie lernten, und galten als heilig und durften nicht einmal um eine einzige Silbe verändert werden.

Damals entstand auch die für die weitere Geschichte Ceylons charakteristische enge Verknüpfung von Königtum, Religion und Volkstum der Singhalesen. Das nationale Selbstbewusstsein der Singhalesen als Träger der Überlieferung des Buddha-Wortes bekam großen Auftrieb.

Bei der Einführung des Buddhismus aus Indien sollen neben dem Pali-Kanon auch die Erklärungsschriften dazu - Atthakatha genannt - nach Sri Lanka gebracht und übertragen worden sein. Diese Kommentare sind in Pali geschrieben und die meisten von ihnen wurden (nach wissenschaftlichen Erkenntnissen) im frühen fünften Jahrhundert in Anuradhapura von Buddhaghosa verfasst, der der Überlieferung nach als Brahmane in Indien geboren wurde. Buddhaghosa wirkte im 5. Jahrhundert und ist der bedeutendste Scholastiker des Theravada. Sein erstes Werk ist der Visuddhi-magga (Reinheits-Pfad), ein Kompendium der Theravada-Lehre (ein Atthakatha), das seither als autoritativ gilt. Es handelt sich beim Visuddhi-magga allerdings um eine erweiterte Fassung eines im 1. Jahrhundert auf Ceylon von Thera Upatissa verfassten Vimutti-magga (Erlösungs-Pfad). Buddhaghosa lebte im "Großen Kloster" (Mahavihara) in der alten Stadt Anuradhapura. Dieses Kloster bestimmte so über lange Zeit die Traditionsbildung der Theravada-Orthodoxie. Insgesamt galt Sri Lanka in dieser Zeit als Zentrum des Theravada-Buddhismus und wirkte auf andere Länder wie zum Beispiel Burma.

Die Scholastik und Gelehrsamkeit im damaligen Mönchsorden des Buddha hat einen gar nicht hoch genug zu schätzenden Vorteil gehabt, nämlich die Erhaltung der Pali-Texte durch die Jahrhunderte!

Den Kommentaren verdanken wir auch das in ihnen enthaltene reiche hagiographische Material. Ohne die Lebensgeschichten der Heiligen und sonstigen Nachfolger des Buddha würde kaum ein lebendiges Bild der Personen um den Erwachten zu gewinnen sein. Diese Geschichten sind oft wirklich erhebend und isnspirierend und erbauend. Sie zeigen, wie auch die Menschen von damals ihre Schwierigkeiten hatten und wie sie damit fertig wurden. Ferner geben die Kommentare oft Gedankenbrücken und Hinweise, auf die man allein nicht gekommen wäre.

Die Kritik gegen den Visuddhi-magga richtet sich gegen die "äußerst trockene, hausbackene Scholastik, die völlig unfähig ist, über die Grenze der Dogmatik hinaus die großen geistigen Zusammenhänge zu erfassen und bis zu der Quell, aus der das religiöse Bewusstsein immer gespeist wurde, vorzudringen oder ihr auch nur nahe zu kommen" (Seidenstücker). Andererseits liegt die Bedeutung eben darin, dass hier zum ersten Mal, rund tausend Jahre nach dem Buddha, die gesamte Lehre, übersichtlich zusammengestellt und erläutert worden ist. Es hatte schon seinen guten Einfluss auf den buddhistischen Mönchsorden in Sri Lanka, der bis auf den heutigen Tag nachwirkt.

Die folgenden Jahrhunderte waren teilweise durch bittere Auseinandersetzungen zwischen Singhalesen und Tamilen gekennzeichnet. Kriege und Einwanderungen aus Indien verschoben das Kräfteverhältnis zuungunsten des singhalesischen Buddhismus. Erst um 1070 konnte König Vijaya Bahu die Macht über den größten Teil Sri Lankas zurückgewinnen. Das 9. bis 12. Jahrhundert war die Hochzeit der buddhistischen Zivilisation in Sri Lanka: Der Sangha war eine privilegierte Gruppe, deren Oberhäupter mit den herrschenden Eliten eng verbunden waren.

In Gestalt der christlichen Missionare erwuchs dem Buddhismus seit dem frühen 16. Jahrhundert, also im Zeitalter des Kolonianismus, eine neue Gefahr. Die engen Beziehungen kolonialer Machtinteressen und christlicher Mission sind ja hinlänglich bekannt. So wurde in den von den Portugiesen beherrschten Küstengebieten Ceylons die gesamte Bevölkerung gezwungen den römischen Katholizismus anzunehmen. Nachdem diese Gebiete 1636 unter holländische Herrschaft gerieten, musste die Bevölkerung nun protestantisch werden. Es wurden nicht nur Buddhisten und Hindus, sondern auch die Katholiken verfolgt. Manche Katholiken flohen ins Gebiet des Königreichs von Kandy, wo ihnen der König freie Religionsausübung garantierte, wie es alter buddhistischer Tradition entsprach. Als die Holländer endlich gegen Ende des 18. Jh. Religionsfreiheit gewährten, kehrte ein großer Teil der Bevölkerung der Insel zum Buddhismus zurück.

Während dieser Zeit wurde der buddhistische Sangha durch die Einführung einer thailändischen Ordinationslinie (Syama Nikaya) neu organisiert (1753). Es folgte die Übernahme zweier birmanischer Linien (Amarapura-Nikaya, 1802, und Ramanna-Nikaya, 1864).

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts übernahmen schließlich die Briten die Kontrolle auf der Insel, sie vermieden direkte Einmischung in religiöse Angelegenheiten. Jedoch verschaffte der Übertritt zum Christentum den Konvertiten während der frühen Phase der britischen Herrschaft Zugang zu einer Reihe von Privilegien. So drangen Tamilen ins Wirtschaftsleben und in den Behördenapparat der überwiegend von buddhistischen Singhalesen bewohnten Teile der Insel ein.

Die Antwort der führenden Buddhisten war zunächst unpolitisch. Seit 1865 fand eine Reihe von öffentlichen Streitgesprächen zwischen buddhistischen Mönchen und christlichen Geistlichen über die Vor- und Nachteile der beiden Religionen statt. Der Text des 1873 abgehaltenen "Großen Streitgesprächs von Panadura" zwischen dem buddhistischen Mönch Mohottivatte Gunananda Thera und den christlichen Geistlichen David de Silva und F.S. Sirimanne sollte zum Wendepunkt der Beziehungen zwischen beiden Religionen werden. Denn mit diesem Gespräch hatten die Buddhisten das Gefühl zurückerhalten, im Besitz der besseren Einsicht zu sein. Der Text wurde auch von einem Amerikaner publiziert und dieses Buch wiederum überzeugte den Theosophen Henry Steel Olcott von der geistigen Überlegenheit des Buddhismus gegenüber dem Christentum. Er gründete 1880 in Ceylon die "Buddhistische Theosophische Gesellschaft" der Insel und es war trotz der Bezeichnung eine rein buddhistische, keine theosophische Vereinigung.

Das entscheidende Erlebnis für die Buddhisten jener Tage war es, dass ein Vertreter der abendländischen Kultur gekommen war, um ihre Religion und Kultur nicht nur zu erforschen, sondern von ihr zu lernen.

Zu den führenden Persönlichkeiten jener Tage gehörte der Singhalese David Hewavitarne (1864-1933) der später den geistlichen Namen Anagarika Dharmapala annahm und mit Olcott zusammen Japan besuchte, um Verbindungen anzuknüpfen. Als er 1891 nach Bodh Gaya reiste, fand er die heiligste Stätte des Buddhismus in beklagenswertem Zustand vor und gründete die "Bodh-Gaya-Mahabodhi-Gesellschaft" in Colombo. Dies war die erste internationale buddhistische Organisation und sie sollte Buddhisten aus allen Ländern einigen und Bodh Gaya wieder zum Mittelpunkt buddhistischer Religiösität machen.

Schließlich erreichte Anton Gueth aus Deutschland Sri Lanka und wurde der erste deutsche Bhikkhu mit dem Namen Nyanatiloka. Er nahm später auch die singhalesische Staatsbürgerschaft an. Die Island Hermitage (eine buddhistische Mönchsinsel auf Polgasduwa) wurde von ihm 1911 gegründet. Sie bekam viel Zulauf von Deutschen. So spielte die Insel Sri Lanka unter anderem bei der Ausbreitung der Buddha-Dhamma ins Abendland eine überaus wichtige Rolle.

1948 erreichte Sri Lanka die Unabhängigkeit. Der "neue" Buddhismus beeinflusste auch die intellektuelle Elite. Ein großer Teil des Sangha blieb traditionell geprägt, es kam aber auch immer wieder zu einer Politisierung der Mönche. 

An den Stätten des Buddhismus wie etwa Anuradhapura, Polonnaruwa und Dambulla befinden sich zahlreiche Buddha-Statuen und alte Viharas und auch die wertvollste Buddhareliquie überhaupt - der im Zahntempel von Kandy aufbewahrte überdimensionale Zahn des Buddha. Zahlreiche Pilger zollen der buddhistischen Religion täglich ihre Verehrung.

Der Buddhismus ist unter der singhalesischen Bevölkerung Sri Lankas fest verankert. Als Buchempfehlung zur Geschichte Sri Lankas sei hier genannt: "Der Theravada-Buddhismus. Vom alten Indien bis zum modernen Sri Lanka", von Richard Gombrich.

 

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