Die folgenden hunder Jahre.

Das Jahr 0 bis ca. 100 B.E.

(B.E. ist "Buddhist Era", die Zeitrechnung der Buddhisten nach dem  parinibbana des Buddha)

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Upali überlebte den Buddha noch dreißig Jahre und war allerseits als die Spitze der Kenner des Vinaya anerkannt. Von ihm ausgehend leitete sich eine Linie der Bewahrer des Vinaya ab, in deren Reihenfolge Kaiser Asokas Sohn Mahindo als sechster stand (Dípavamsa).

Nach dem Tod Mahakassapos wurde Anando der zweite Patriarch, der Behälter der Lehre, der Bewahrer der getreuen Überlieferung. Von ihm leitet sich die Reihe der Patriarchen ab, deren achtundzwanzigster Bodhidharma war, welcher um 500 n.Chr. als Missionar nach China ging. Anando überlebte den Buddha noch vierzig Jahre, starb hochbetagt mit einhundertundzwanzig Jahren, und zwar auf dem Weg von Rajagaham nach Vesalí.

Der Buddha hatte keinerlei schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Und so war nun neben der eigenen Läuterung die Bewahrung der Lehre die Hauptaufgabe des Sangha. Da der Buddha schon zu Lebzeiten die Anordnung getroffen hatte, dass die Mönche in verschiedenen Himmelsrichtungen unterwegs sein sollten, bildeten sich bald in verschiedenen Gegenden verschiedenen Gruppen von Mönchen (sog. Nikayas). Immer wurden der Vinaya und die Lehrtexte mündlich tradiert. Die Schrift war zwar zu jener Zeit im alten Indien schon seit zwei Jahrhunderten bekannt. Wenn die Buddhamönche also an der mündlichen Tradition festhielten, ist anzunehmen, dass sie gute Gründe dafür gehabt haben. Mündliche Überlieferung war im alten Indien, im Gegensatz zu den Bedingungen in vielen anderen Kulturkreisen, keinesfalls notwendigerweise weniger genau als schriftliche Tradition. Ganz im Gegenteil: die Genauigkeit der Überlieferung der vedischen Samhitas durch viele Jahrhunderte ausschließlich mündlicher Tradition übertrifft alles, was aus Kulturkreisen mit schriftlicher Tradition bekannt ist. So stand der Text des Rigveda spätestens im vierten vorchristlichen Jahrhundert Wort für Wort, ja Silbe für Silbe in der Form fest, in der er uns heute vorliegt.

Den frühen Buddhisten war die vedische Tradition durchaus bekannt und geläufig, stammten doch viele aus brahmanischen Priesterfamilien. So lag ihnen für die Überlieferung auch ihrer religiösen Texte das Festhalten an der mündlichen Tradition von vornherein nahe. Der Buddha hatte ja ein formales Corpus heiliger Texte, die von den Mönchen etwa Wort für Wort auswendig zu lernen und weiterzugeben waren, abgelehnt. Es gab nur ein einziges Ziel der Lehre, nämlich das der Erlösung aus dem Samsara. Die Schaffung eines formalisierten Textbestandes hätte nur vom Ziel abgelenkt. Wenn auch vielleicht die Mehrzahl der späteren Buddhisten diesen Zusammenhang nicht mehr voll verstanden hat, so leuchtet die ursprüngliche Wertung der Texte doch im Laufe der langen Geschichte der buddhistischen Religion immer wieder auf. Dem Buddha war es nur um das inhaltliche Verständnis seiner Lehre gegangen und er hat sogar angeordnet, alles "in der eigenen Sprache" zu erlernen. Wenngleich über diese Textstelle verschiedenen Ansichten entstanden, so sind sich doch die meisten Forscher und Buddhisten darin einige, dass der Buddha jedem Anhänger damit den Gebrauch der eigenen Sprache nahelegte. Andererseits hat es für uns heute auch sehr hohen Wert, dass die Theravada-Mönche die Texte "in der eigenen Sprache" des Buddha, im alten Pali, bis heute erhalten haben. Die im Aluvihara auf Ceylon vollzogene Niederschrift des Pali-Kanons der Theravadins während der Regierungszeit des Königs Vattagamani Abhaya (89 - 77 v. Chr.) erst gilt als eigentlicher Beginn der schriftlichen Überlieferung der Texte. Der Erhalt und die Weitergabe der Texte des Vinaya und der Suttas an die jüngeren Mönche war nach dem täglichen Almosengang eine der wichtigsten Aufgaben.

Der Orden stand in den ersten hundert Jahren nach dem Ableben des Erwachten (genau wie heute) für alle offen. Der Eintritt in den Orden erfolgte mit zwei feierlichen Handlungen, der "Weltflucht" (pravrajya) und Mönchsweihe (upasampad). Die Mönchsweihe wurde bis ins kleinste Detail festgelegt durch rituelle Texte, die kammavacana genannte wurden. Die Laufbahn einer Nonne war der der Mönche weitgehend angeglichen. Man kann wohl davon ausgehen, dass in diesen ersten Jahren alle Regeln weitgehend genau eingehalten worden sind. Mit zunehmender Akzeptanz durch die Bevölkerung erhöhte sich auch die Zahl der Laienanhänger. Damals waren große Klosteranlagen jedoch noch nicht die Regel, denn wir wissen ja, dass die Buddha-Mönche Wanderasketen waren. Sie nächtigten in Versammlungshallen von Städten, in Asketenherbergen sowie in Wäldern und Parks, die auch anderen Asketen als Bleibe dienten.

Auch diejenigen, die nicht zur Elite der Arahats (der Erwachten) zählten, bewahrten sorgfältig die Erinnerung an den Erwachten. Ein leibhaftiges Kennen war keine Voraussetzung für das Erinnern. Wie viele Menschen nehmen sich auch in der heutigen Zeit  längst verstorbene große Männer und Frauen zum Vorbild? Auch die Erinnerung an noch lebende Vorbilder beruht meist nicht auf persönlicher Bekanntschaft, sondern ist durch Medien vermittelt.

Der Erwachte hat klargestellt, dass es um das Erinnern an das Überpersönliche, Zeitlose eines Erwachten geht: "Das ist wahrhaftig der Erhabene..." Diese Formulierung bedeutet etwas anderes als die Erinnerung an einen (normalen) bedeutenden Menschen. Eine solche Nivellierung versperrte nur den Zugang zu solcher Meditation. Der Erwachte verwendete die Kurzbezeichnung: "Erinnerung an die Wachheit des Vollendeten." Nur das führte dem Buddha-Mönchen vor Augen, dass das gewohnte Erleben von "Substanz" und "Materie" nicht das Erleben eines Wachen ist, also nicht die Realität sein kann. Das heißt: nicht eine "materielle, substanzhafte Welt" ist die Realität (sondern Energie des Wirkens und deren Erscheinen = "Erleben").

Eine "objektive, materielle Welt" ist übrigens nach neustens übereinstimmender Sicht der führenden Physiker gar nicht denkbar.

Und es ging um die Erinnerung an das Betreten des achtfachen Heilsweges, das wichtigeste Ereignis in der Existenz: Den Stromeintritt. Von da ab bestand der Heilsweg nicht mehr in der Suche nach der Sicherheit, sondern der nun unverlierbar gefundene Weg wurde bis zum Ziel in endgültige Sicherheit erwandert.

Für die in Häuslichkeit lebenden Nachfolger war die Tugend der "Hauptkampfplatz". Auf diesem Gebiet gab es schon immer große Hindernisse für die Meditation, aber waren und sind auch die ersten Erfolgserlebnisse zu gewinnen. Deshalb war auch damals gerade auch die Erinnerung an die heilenden Tugenden in Bezug auf sich selber von größerer Wirkensmacht, als man zunächst glauben mag.

Das soziale Zusammenleben von Mönchs- und Nonnengemeinden führte zu der Notwendigkeit, das Patimokkha, das Hauptgesetz der Bettelmönche, zu bewahren und bei den regelmäßigen "Beichtfeiern" zu rezitieren, um nach den vom Buddha zu seinen Lebzeiten erlassenen sittlichen Regeln zu leben. Nach wissenschaftlichen Kriterien ist dies der älteste buddhistische "Text" im strengen Sinne dieses Wortes. Insgesamt sind uns in unsere Zeit neun Versionen dieses Textes überliefert worden, die neun verschiedenen Schulrichtungen zugeordnet werden können ( Theravadin, Sarvastivadin, Mulasarvastivadin, Dharmaguptaka, Mahisasaka, Mahasamghika, Mahasamghika-Lokottaravadin, Kasyapiya, Sammatiya). Davon ist nur ein Teil im indischen Urtext erhalten, der Rest lediglich in Übersetzungen. Ein Vergleich dieser Texte lässt erkennen, dass sie sämtlich auf einen gemeinsamen Urtext zurück gehen müssen.

Dieser Text ist auch Grundlage für den Vinaya-Pitaka des Pali-Kanon.

Die frühen Buddhisten verfügten somit über ein hochentwickeltes Rechtssystem nach demokratischen Gesichtspunkten, in dem alle nur denkbaren Rechtsfälle des Sangha behandelt werden konnten. Zweimal im Monat, zu Vollmond und Neumond, waren alle Mönche, die in derselben Gemeinde lebten, wie auch durchreisende Mönche verpflichtet, sich zu versammeln und gemeinsam das Uposatha zu zelebrieren. Jedes zweite Mal war die Feier mit einer Befragung und "Beichte" der Mönche verbunden.

Die Überlieferung sagt aus, das nach 100 Jahren das sogenannte "Zweite Konzil" stattgefunden hat.

 

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